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Land war noch unbewohnt. Oldenburg aber und Lütjenburg und die anderen
Küstengegenden gab er den Slawen zu beziehen, und diese wurden zinspflichtig.
Danach kam Graf Adolf an einen Ort namens Buku und fand daselbst den
Wall einer verlassenen Burg, die einst Cruto erbaut hatte1), der Feind Gottes,
und eine sehr große Insel, von zwei Flüssen umgeben. Denn an der einen Seite
fließt die Trave, an der anderen die Wackenitz vorbei, die beide ein sumpfiges und
unwegsames Ufer haben. An der Seite aber, wo das Land anschließt, liegt ein
ziemlich schmaler Hügel, der dem Burgwalle vorgelagert ist. Da nun der um-
sichtige Mann sah, wie passend die Lage und wie trefflich der Hafen war, so be-
gann er dort eine Stadt zu erbauen, die er Lübeck nannte, weil sie von dem
alten Hafen und der alten Stadt, die einst Fürst Heinrich angelegt hatte, nicht
weit entfernt war2). Danach sandte er Boten an Niclot, den Fürsten der Obotriten,
um mit ihm Freundschaft zu schließen, und gewann alle Angesehenen des Landes
durch Geschenke in dem Grade, daß sie darin wetteiferten, ihm gefällig zu sein
und sein Land mit zur Ruhe zu bringen. So begannen die Einöden des Wagrier-
landes bewohnt zu werden, und die Zahl der Bewohner desselben mehrte sich.
Auch der Priester Vicelins) empfing, aufgefordert und unterstützt vom Grafen
Adolf, die Besitzungen wieder, die ihm schon vormals Kaiser Lothar zur Er-
bauung eines Klosters und zur Unterhaltung von Dienern Gottes bei der Burg
Segeberg verliehen hatte.
53.
Herzog Heinrich der Löwe im Lande der Obotriten.
Um 1160.
Quelle: Helmold a. a. O. I1, 88.
Übersetzung: B. Schmeidler a. a. O. S. 206 und 207.
88. Der Herzog Heinrich verheerte das ganze Land und begann dann
Schwerin") wieder aufzubauen und die Burg zu befestigen. In dieselbe setzte er
zum Befehlshaber einen Mann von edler Geburt, den streitbaren Guncelin, mit
einer Besatzung ein. Danach kamen die Söhne Niclots5) bei dem Herzog wieder
in Gunst, und er verlieh ihnen Werle und das ganze dazu gehörige Land. Das
Land der Obotriten aber verteilte er als Besitztum unter seine Ritter . Zum
Bischof im Lande der Obotriten bestellte der Herzog Herrn Berno, der die Kirche
zu Mecklenburg zu leiten bekam. Er bestimmte zur Ausstattung der Kirche 300
Hufe, wie er es vorher mit den Kirchen von Ratzeburg und Oldenburg gemacht
hattes). Auf sein Gesuch erhielt er vom Kaiser Vollmacht, im ganzen Lande der
1) Cruto, ein dem Christentum feindlicher Fürst der Obotriten, lebte in der zweiten
Hälfte des 11. Jahrhunderts.
*:) Das alte Lübeck, das unter dem Obotritenfürsten Heinrich (f 1127), dem Nach-
folger jenes Cruto, aufgeblüht war, wurde 1138 zerstört.
:) Der treue Priester Vicelin aus Hameln wurde der Apostel der Wagrier. Auf
seine Veranlassung ist Segeberg gegründet.
“) Der hauptsächlich gegen die Obotriten geführte Feldzug fällt in das Jahr 1160 und
führte zur Unterwerfung. Schwerin war von den Obotriten selbst vernichtet, um dem
Feinde keine Stützpunkte zu überlassen.
) Niclot war der Fürst der Obotriten, der im Kampfe fiel. Aus der Verleihung
Heinrichs hat sich das heutige Mecklenburg gebildet; von Niclot stammen die heutigen
Großherzöge von Mecklenburg ab. Werle lag nördlich von Lützow.
") Der Sitz des Bischofs ward Schwerin.