Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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und im Namen des Reiches besitzen sollte. Von denen aber, welche unberechtigt 
und bloß aus Anmaßung der Regalien sich bemächtigt hatten, flossen den Staats— 
einkünften jährlich ungefähr 30 000 Talente 1) zu. 
9. Außerdem wurde ihm auch von allen das Recht zugestanden und zuerkannt, 
in den einzelnen Städten die Podesta), Konsuln und anderen Obrigkeiten mit 
Zustimmung des Volkes selbst zu wählen, und zwar Männer zu ernennen, welche 
treu zugleich und klug dem Fürsten seine Ehre, den Bürgern und dem Vater- 
lande die gebührenden Gerechtsame zu wahren verständen. 
56. 
Die Zerstörung Mailands. 
1162. 
Quelle: Die Kölner Königschronik (Lateinisch)s). Zu 1162. 
lbersetzung: Dr. Karl Platner, Die großen Kölnischen Jahrbücher. Berlin 1867. 
(Gesch. d. d. V. 13. Jahrh. 3. Bd.) S. 68l.—72. 
1162. Mailand wurde unterworfen und zerstört. Wie dies geschah, ist kurz zu 
berichten. Als infolge des Winters die Straßen unzugänglich waren und die Mai- 
länder sich schon stark einschränken mußten, suchten sie die Gemüter der Fürsten 
mit schlauen Vorschlägen zu gewinnen, um sie auf irgendeine Art, als sei schon 
alles erreicht, sicher zu machen und selbst unterdessen aus Brescia oder Piacenza 
mit vereinten Kräften Zufuhr zu holen. Sie richteten jedoch nichts aus und kamen 
sowohl an Mut als an Kräften sehr herunter. Nach vielen Fristen und sehr vielen 
Ränken, von der äußersten Hungersnot und Entbehrung gezwungen ergaben 
sie sich auf Gnade und Ungnade. — Am ersten Tage des Monats März erschienen 
demnach die Konsuln der Mailänder mit anderen Edlen, gegen zwanzig an der 
Zahl, kniend, mit bloßen Schwertern auf dem Nacken, öffentlich vor dem ganzen 
Hofe, ergaben ohne jegliche Hinterlist, durch welche sie bei der ersten Unter- 
werfung den Kaiser getäuscht hatten, und ohne jede Verzögerung oder Bedingung 
sich und ihre Stadt mit Sachen und Personen ihrem Herrn, dem Kaiser, und 
leisteten die Eide, die ihnen vorgeschrieben wurden, für sich und für alle übrigen 
Mailänder. Wiederum am darauffolgenden Sonntag, an welchem passend ge- 
sungen wurde: „Gedenke deiner Milde, o Herr!“ (Reminiscere) kamen mehr denn 
dreihundert ganz auserlesene Ritter der Mailänder mit den erwähnten Konsuln, 
sielen vor dem Kaiser, der auf seinem Throne saß, nieder, flehten in ebenso 
schöner, wie klagender Rede nur um sein Erbarmen, übergaben die Schlüssel der 
Stadt und von allen Toren und Abteilungen die Hauptfahnen, deren sechs- 
unddreißig an der Zahl waren, und leisteten selbst die gleichen Eide wie die Kon- 
suln. Hierauf am Dienstag kam das Volk mit dem Carrocium, was bei uns 
Standarte genannt wird, und mit der übrigen Ritterschar und überbrachte die 
1) d. s. etwa 16 Millionen Mark. 
2) Die Podestä waren Männer von unzweifelhafter Gesinnung, die als Stellvertreter 
des Kaisers die Oberaufsicht über die städtische Verwaltung führten. # 
*:) Die Kölner Königschronik, auch wohl die größten Kölner Jahrbücher genannt, ist 
eins der wichtigsten Annalenwerke; sie bringt neben Ortsnachrichten auch Reichsgeschichte 
von größerem Umfange. Zum Jahre 1162 ist ein Brief des Notars Buchard an den Abt 
Nikolaus von Siegburg eingefügt. In diesem Briefe schildert der Schreiber, der Augen- 
zeuge des denkwürdigen Ereignisses war, die Zerstörung Mailands in ausführlichster Weise.
	        
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