Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Da er nämlich aus Erfahrung wußte, wie furchtbar sich Heinrich den Lango— 
barden gezeigt hatte, so erklärte er, ohne dessen persönliches Mitwirken gegen 
dieselben durchaus nichts ausrichten zu können. Der Herzog dagegen gab vor, er 
sei durch die vielen Strapazen und Feldzüge, die er sowohl in Italien als auch 
sonst in Unzahl bestanden habe, nun, da er schon ein Greis sei, an Kräften er- 
schöpft und versicherte, er werde der kaiserlichen Majestät, was Gold und Silber 
und die sonstigen Erfordernisse zur Bildung eines Heeres anlange, bereitwilligst 
dienen; in eigener Person aber erklärte er mit Bestimmtheit, nicht kommen zu 
können, ohne jedoch des Kaisers Gnade verscherzen zu wollen. Darauf antwortete 
der Kaiser: „Der Herr des Himmels hat dich erhöhet unter den Fürsten und dich 
vor allen mit Reichtum und Ehren begnadigt; die ganze Stärke des Reiches beruht 
auf dir; so ist es billig, daß du, um die Arme aller zu diesem Werke zu kräftigen, 
dich an die Spitze stellest, damit das Reich, welches jetzt zu wanken beginnt, durch 
dich, der bisher anerkanntermaßen dessen vorzüglichste Stütze war, sich kräftig 
wieder erhebe. Wir bitten dich, daran zu denken, daß wir dir nie einen Wunsch 
abgeschlagen haben und stets bereit gewesen sind, dich in allen deinen Ehren und 
Würden zu fördern, daß wir deinen Feinden stets feind waren und keinen dir 
gegenüber mächtig werden ließen. Ohne also deines Wortes und deiner Eide zu 
gedenken, welche du dem Reiche geschworen hast, wollen wir dich jetzt nur an 
unsere Verwandtschaft, wodurch du uns vor allen nahestehst, erinnern, damit du 
in der gegenwärtigen Not uns, der wir zugleich dein Neffe 1), dein Herr und dein 
Freund sind, zu Hilfe kommen und dafür in Zukunft in allem, was du wünschest, 
unseres Wohlwollens dich versichert halten mögest“2). Da jedoch der Herzog sich 
noch immer weigerte und sich zwar zu jeglicher Dienstleistung bereitwilligst erbot, 
in eigner Person aber nicht kommen zu können erklärte, so erhob sich der Kaiser 
von seinem Throne und fiel, von Angst überwältigt, ihm zu Füßen. Der Herzog 
nun geriet über einen so unerhörten Vorfall, daß der, unter dessen Füße der 
Erdkreis sich beugt, erniedrigt am Boden lag, in große Bestürzung und hob ihn so 
schnell wie möglich empor, willigte aber doch nicht in sein Begehr. 
58. 
Der Sturz Heinrichs des Löwen. 
1181. 
Quelle: Arnold von Lübeck a. a. O. II, 22. 
Übersetzung: Laurent a. a. O. S. 65— 67. 
Der Kaiser setzte heimziehend über die Elbes) und schlug östlich von Lüneburg 
ein Lager. Der Herzog befand sich, wie gesagt, zu Stade, wohin er sich wegen 
der sicheren Lage des Ortes zurückgezogen hatte, weil er, selbst wenn die Stadt 
vom Feinde genommen wurde, doch für seine Person zu Wasser zu entkommen 
hoffte. Er hatte die Stadt mit einem sehr starken Walle umgeben und sehr be- 
deutende Befestigungswerke mit Maschinen daselbst bauen lassen, und Graf 
Gunzelin, der die Befestigungsbauten betrieb, ließ die Türme des Münsters der 
heiligen Jungfrau Maria, weil sie den Festungswerken allzu nahe zu stehen 
1) Friedrich und Heinrich waren Vettern. 
2) Vige Rede ist genau so eine Stilübung Arnolds, wie die Rede Konrads bei Wipo 
(bgl. S 
2) Als der Kaiser im Jahre 1181 den Feldzug gegen Heinrich eröffnete, stieß er un- 
mittelbar gegen Lübeck vor. Heinrich warf sich nach Stad
	        
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