— 110. —
ihm zufügt, zwiefach erstatten. Und der Schaden, den er zuvor von seinem Wider-
sacher erlitten hat, soll unerstattet bleiben.
Wenn aber jemand seine Klage in der vorgeschriebenen Weise anbringt, ihm
aber nicht sein Recht zuteil wird, er vielmehr aus Not seinen Feinden die Fehde
ansagen muß, so soll er das bei Tage tun, und von dem Tage bis an den vierten
Tag soll er ihm keinen Schaden zufügen weder am Leib, noch am Gute. So hat
er drei ganze Tage Friedent).
Wem „widersagt“ wird, der darf dem, der ihm „widersagt" hat, gleichfalls bis
an den vierten Tag keinen Schaden tun weder am Leibe, noch am Gut. An wem
dies Gesetz verletzt wird, der soll vor seinen Richter gehen und seinen Gegner an-
klagen. Der Richter hat diesen dann vor Gericht zu laden. Kann er sich dann
nicht vor dem Richter durch einen heiligen Eid, den er mit sechs angesehenen
Männern zu leisten hat, von seiner Schuld reinigen, so sei er für immer ehrlos
und rechtlos, so daß er fortan niemals mehr sein Recht finden kann.
64.
Der Ritterschlag oder die Schwertleite.
1247.
Quelle: Johann de Beka, Geschichte der Bischöfe von Utrecht und Grafen
von Holland (Lateinisch)?.
Übersetzung: Erler a. a. O. Bd. 3. S. 88 und 8.
Nachdem alles in der Kirche zu Köln vorbereitet und eine feierliche Messe gehalten
worden war, wurde der Knappe Wilhelm vor den Kardinal durch den König von
Böhmen geführt, der folgendermaßen sprach: „Euer Hochwürden, gnädiger Vater, stellen
wir diesen erlesenen Schildknappen vor mir der demütigen Bitte, daß eure Bäterlich-
keit sein Gelöbnis empfange, damit er würdig in unsere Rittergesellschaft aufge-
nommen zu werden vermöge.“ Der Herr Kardinal aber, der in bischöflichen Festkleidern
dem Feste beiwohnte, sprach, anknüpfend an das Wort Ritter, zu dem Knappen:
„Es ziemt sich für jeden, der Ritterschaft treiben will, daß er hochgemut, edel-
gesinnt, freigebig, tadellos und ehrenfest seis): hochgemut im Unglück, edelgesinnt
gegen seine Verwandten, freigebig in aller Ehrbarkeit, tadellos in höfischen Sitten
und ehrenfest in männlicher Tüchtigkeit. Ehe du jedoch dein Gelübde ablegst, höre
zuvor mit reiflicher Überlegung die Gesetze der Ritterschaft an. Dies aber sind die
Regeln des Rittertums: Zuerst mit frommer Sammlung die Messe täglich hören,
für den katholischen Glauben kühn das Leben wagen, die heilige Kirche und ihre
Diener von allen Bedrückern befreien, Witwen, Unmündige und Waisen in ihrer
Not schirmen, ungerechte Kriege vermeiden, unbillige Dienste verweigern, für die
Befreiung eines jeden Unschuldigen den Zweikampf annehmen, Turniere nur der
„½)9 Beseitigt ist das Fehderecht auch durch dieses Gesetz keineswegs; aber es wird
doch beschränkt auf die Fälle der Notwehr und der Rechtsverweigerung; außerdem muß der
Eröffnung einer rechtmäßigen Fehde eine befristete Ankündigung oder Absage vorangehen.
Vgl. S. 148. Anm. 1. 6
2) Der holländische Chronist Johann de Beka stellt in seinem bis 1346 reichenden
Werke auch die Taten Wilhelms von Holland dar. Als dieser Fürst im Jahre 1247
zum deutschen König gewählt worden war, empfing er noch in demselben Jahre zu Köln
den Ritterschlag, da er doch als Knappe nicht gut die deutsche Königskrone erhalten
konnte. Bekas Schilderung dieser Schwertleite möge hier folgen. 4 çl
2) Im lateinischen Texte stehen die Ausdrücke: magnanimus, ingenuus, largifluus, egregius
und strenuus. Die Anfangsbuchstaben dieser Wörter ergeben das Wort „miles“ — Ritter.