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Die ersten Privilegien der Stadt Speyer.
· 1111.
Quelle:ZweiUrkundenHeinrichsV.ausdemJahrellll(Lateinisch)1).
Übersetzung aus dem Abdruck des lat. Textes bei Alfred Hilgard, Urkunden zur Geschichte der Stadt
Speyer. Straßburg 1885. Nr. 14.
..Auf Rat und Wunsch unserer Fürsten# haben wir zum Heil der Seele
unseres teuren Vaters, des Kaisers Heinrich seligen Gedächtnisses, an dessen Bei-
setzungstage?) alle, die in der Stadt Speyer jetzt wohnen oder fortan wohnen
wollen, woher sie auch kommen oder welches Standes sie auch sein mögen, sie
selbst und ihre Erben, von einem höchst verwerflichen und unheilvollen Brauche
befreit, von jener Teilabgabe nämlich, die im Volksmunde „Buteil“s) heißt und
durch die die ganze Stadt in die größte Armut gestürzt wurde. Wir haben
untersagt, daß irgend eine Persönlichkeit, sei sie höheren oder niedrigen Ranges,
Vogt oder angestammter Herr, sich unterstehe, bei dem Tode eines Bürgers etwas
von der hinterlassenen Habe an sich zu bringen. Und wir haben unter Zu-
stimmung des gegenwärtigen Bischofs von Speyer eingewilligt und bestätigt, daß
alle Bürger freie Befugnis haben sollen, ihr Hab und Gut ihren Erben zu ver-
machen oder für ihr Seelenheil zu verwenden oder es zu verschenken, wem sie
wollen, unter der einen Bedingung indessen, daß sie alle am Todestage unseres
Vaters feierlichst zum Nachtgottesdienst und zur Messe sich vereinigen, Kerzen in
den Händen tragen und von jedem Hause ein Brot als Almosen abliefern und es
den Armen darreichen
Weil wir uns vergegenwärtigt haben, daß... dieser Ort wegen der zu allen
Zeiten bewiesenen, überaus großen Treue seiner Bürger gegen uns über alle
anderen hervorragt, haben wir kraft kaiserlicher Gewalt auf den Rat unserer
Fürsten beschlossen, seine Freiheiten zu stärken. Wir haben unsere Bürger befreit
von jedem Zoll, der in der Stadt bisher gezahlt zu werden pflegte; wir haben
ihnen jenes Geld erlassen, das gewöhnlich Bannpfennig heißt, samt dem so-
genannten Schoßpfennig, dazu auch den Pfeffer, der von den Schiffen verlangt
wurde. Wir wollen auch, daß keiner unserer Bürger gezwungen werde, außerhalb
der Stadtgrenze das Ding seines Vogtes") zu besuchen. Kein Beamter und kein
Bote irgend eines Herrn darf im Dienste seines Herrn von den Bäckern oder von
den Schlachtern oder sonst jemandem in der Stadt wider ihren Willen irgend ein
1) In den Bürgerkriegen des 11. Jahrhunderts stellten sich die um diese Zeit hoch-
kommenden Städte, besonders die rheinischen, aus eigenstem Interesse mit Entschiedenheit
auf die Seite des Königtums. Zum Lohn erteilten ihnen die Salier mancherlei Vor-
rechte. In Speyer schätzte man die auch den dortigen Bürgern geschenkten Freiheiten so
hoch ein, daß man den Wortlaut der betreffenden Urkunden in goldenen Buchstaben über
das mittlere Portal des Domes setzte. Leider ist diese Urschrift durch eine Feuersbrunst
im Jahre 1450 vernichtet worden. Der Text ist aber in einer amtlich beglaubigten Abschrift
aus dem Jahre 1340 erhalten.
à) Heinrich IV. war kurz vorher vom Bann befreit und wurde am fünften Jahrestage
seines Todes (7. August 1111) zu Speyer beigesetzt. Der erste Urkunde ist vom 14. August
1111 datiert, die zweite ist undatiert.
2) Nach dem Tode eines Hörigen hatte der Herr Anspruch auf einen Teil (, ½,
33 ..) des beweglichen Nachlasses. Diese Abgabe hieß Buteil (bü — Bau = Herrenhof).
4) Der Vogt übte im Namen des Bischofs in dessen Gebiet die Gerichtsbarkeit aus.
Er saß darum auch dem Ding der bischöflichen Gerichtsleute vor.