Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

72. 
Aus dem deutschen Bauernleben im 13. Jahrhundert. 
Quelle: Wernher der Gärtner a. a. O.u0. 
Übertragung: Max Oberbreyer a. a. O. S. 16—30. 
Dem Alten schuf das Ungemach. — „Mein lieber Sohn, o bleibe hier! 
Zu seinem Sohn er endlich sprach: ... Der Meier Ruprecht bietet dir 
„Bleib'’ bei dem Pfluge, rat' ich dir, Zum Eheweib sein einzig Kind; 
Dann treib' ich auch mit dir den Stier, Viel Schafe, Schweine, manches Rind 
Bebau' mit dir vereint das Feld: Gibt er als Mitgift dir dazu. 
Dann scheid'st dereinst du von der Welt Bei Hofe leidest Hunger du 
Geehrt und ehrlich so wie ich. Und mußt dich schinden dort und plagen 
Bei Gott, dessen verseh' ich mich! Und alle Freude dir versagen. 
Wahrhaftig und getreu bin ich Nun folge meiner Lehre! 
Und kein Verräter sicherlich. Dir bringt es Nutz und Ehre. 
Dazu bezahl' ich alle Jahr', Doch selten dem sein Glück gelingt, 
Wie sich's gebührt, den Zehnten gar. Der wider seine Ordnung ringt, 
Ich lebt' all' meine Lebenszeit Und deine Ordnung ist der Pflug. 
Stets ohne Haß und ohne Neid.“ Hofleute findest du genug, 
ç MWohin du deine Blicke lenkst. 
Der Sohn sprach: „Lieber Vater mein, Bei Hof,, mein Sohn, du dich nur kränkst; 
Oschweig und laß das Reden sein: Das schwör' ich dir beim höchsten Gott; 
Es muß mein Wille nun geschehn, Du wirst des echten Höflings Spott. 
Ich will in Wahrheit jetzo sehn, O glaub' mir das, mein lieber Sohn. 
Wie an dem Hof das Leben schmecke. JFolg' meinem Rat und laß davon!“ 
Ich will auch ferner deine Säcke 
Nie mehr auf meinem Nacken tragen; „Nein, Vater, würde ich beritten, 
Ich werde dir auch deinen Wagen So will ich in den höf'schen Sitten 
Nicht mehr mit Mist beladen. Wahrhaftig grad' so wohl bestehn 
Mich treffe Gottes Schaden, Wie die, so stets zu Hofe gehn. 
Wenn ich den Stier dir spanne an (Wer diese Haube schön gestickt 
Und deinen Hafer säl' fortan: Auf meinem Haupte hätt' erblickt, 
Das paßte nimmermehr fürwahr Der würde tausendmal wohl schwören, 
Zu meinem langen, blonden Haar Ich müßt' zum Ritterstand gehören. 
Und meinem üppigen Gelock Ob ich dein Vieh dir auch geweidet 
Und, der so gut mir steht, dem Rock Und lange deinen Pflug geleitet, 
Und nicht zu meiner schönen Hauben Wahrhaftig, wenn ich mich nur kleide 
Mit ihren seid'nen Turteltauben, Mit dem Gewand, mit dem sie beide 
Die drauf genäht von schönen Frauen. Mich ausgestattet schmuck und fein, 
Ich helf' das Land dir nimmer bauen!“ Die Mutter und die Schwester mein, 
  
1) Der Bauerssohn Helmbrecht ist von Mutter und Schwester mit einer glänzenden, 
reich gestickten Haube und so schönen Kleidern ausgestattet, daß kein Bauer sich ihm 
vergleichen kann. Dafür steht sein Sinn nach dem Ritterleben. Der Vater versucht 
nun, ihm die Lust am Rittertum auszureden. Die Worte des alten Bauern lassen uns 
einen tiefen Einblick in die unabhängige Gesinnung des alten freien Bauernstandes 
tun, während die Antworten des jungen uns in die Anschauungen der jungen Welt 
einführen. «
	        
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