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Die Straßburger hatten sie aber so lieb, daß alle schnell eingeladen waren und
sich keiner mehr fand, den man hätte einladen können. Sie nahmen kein Almosen;
wurden sie aber eingeladen, so nahmen sie dies mit Erlaubnis ihrer Meister an,
wagten aber nicht, wenn sie später von noch Wohlhabenderen geladen wurden, die
Einladung zu vertauschen.
Dies (das Geißeln) taten sie zweimal des Tages auf offenen Plätzen und
jeder heimlich auch einmal in der Nacht. Mit Frauen sprachen sie nicht und
schliefen auch nicht in Federbetten. Alle hatten vorn und hinten Kreuze auf ihren
Kleidern und auf dem Hute und hatten ihre Geißeln an den Kleidern hängen;
in keiner Pfarrei blieben sie länger als eine Nacht. Tausend Straßburger traten
in tiefer Demut in ihre Bruderschaft und versprachen, den schwäbischen Meistern
während der vorgenannten Zeit gehorsam zu sein. Keiner wurde ausgenommen,
wenn er nicht versprach, das oben Angeführte während der bestimmten Anzahl von
Tagen beobachten zu wollen, und wenn er nicht mindestens vier Denare im Tage
zu verzehren hatte, damit er nicht betteln mußte; auch mußte er versichern, daß
er in Zerknirschung gebeichtet, seinen Feinden alles Unrecht vergeben und die Ein-
willigung seiner Frau erhalten hätte. In Straßburg teilten sie sich; ein Teil zog
nämlich rheinabwärts, der andere -aufwärts, und die Meister teilten sich ebenso.
Die Meister untersagten auch den Straßburgern eine zu plötzliche und heftige
Geißelung. Es strömten ihnen vom Ober= und vom Niederrhein und vom Flach-
lande eine solche Menge zu, daß sie niemand zu zählen vermochte. Dies war dem
König Karl, mehreren aus dem Bettelorden und vielen Priestern sehr schmerzlich.
132. Aufgefordert von dem römischen König Karl, erließ der Papst einen
Prozeß, durch welchen er die Sekte der Geißler verurteilte, ihre Unterdrückung an-
ordnete und den Bischöfen befahl, Mönche, welche sie begünstigten, verhaften zu
lassen, Geißelungen aber, welche im stillen und in guter Absicht zu Hause vor-
genommen würden, erlaubte. Auch erklärte er in dieser Verordnung, daß vor
denjenigen, welche die Hände gegen die Juden erhoben hätten, was die christliche
Barmherzigkeit verbietet, auch andere und rechtschaffene Leute sich zu fürchten
hätten.
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Die Vorrechte der Kurfürsten nach der Goldenen Bulle
vom Jahre 1356.
Quelle: Die Goldene Bulle vom Jahre 1356 (Lateinisch)!). Kap. 7. 9—12. 25.
Ülbersetzung aus dem Abdruck des lateinischen Textes bei Dr. H. O. Lehmann a. a. O. S. 182—198.
Kap. 7. Sukzessionsordnung für die Kurfürstentümer. Es ist gewiß all-
gemein weit und breit bekannt und gewissermaßen durch den ganzen Erdkreis
volkskundig feststehend, daß die erlauchten Fürsten, der König von Böhmen und
auch der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf
von Brandenburg, jener kraft seines Königreiches, diese wegen ihrer Fürsten-
1) Dieses wichtige Reichsgesetz, das die Wahl des deutschen Königs gesetzlich regelte
und den Vorrang der Wahlfürsten begründete, wurde am 10. Januar 1356 auf einem
Reichstage zu Nürnberg feierlich verkündet. Ergänzungen und weitere Ausführungen, die
unabweisbar waren, machten neue Beratungen der Fürsten notwendig. Die Veröffent-
lichung des so entstandenen (mit Kapitel 25 beginnenden) zweiten Teils erfolgte am
25. Dezember 1356 zu Metz.