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werden dürfen, sondern vielmehr in ihrer vollkommenen Unversehrtheit ständig
bleiben sollen.
Der erstgeborene Sohn möge in allem folgen, ihm allein stehe Recht und
Herrschaft zu, wenn er nicht etwa kranken oder blöden Geistes oder mit einem
anderen bekannten und bedenklichen Gebrechen behaftet ist, um dessenwillen er
über Menschen nicht herrschen darf, noch kann.
81.
Graf Eberhard von Württemberg und die Städte.
1376—1388.
Quelle: Jakob Twinger von Königshofen, Deutsche Chronik
(Mittelhochdeutsch)#).
Übertragung: Erler a. a. O. Bd. 3. S. 409—415.
Da man zählte das Jahr 1376, da erhob sich ein Streit zwischen Graf Eber-
hard von Württemberg und den Städten des Reiches in Schwaben, dergestalt, daß
die von Württemberg gegen die Städte Krieg führten und wiederum die Städte
gegen die Herren von Württemberg. Und der Krieg währte gegen drei und ein
halbes Jahre), und es war das Schwabenland also sehr verheert, daß kaum ein
Dorf war zu beiden Seiten, das nicht verbrannt oder beschatzt worden wäre.
Sonderlich die von Württemberg taten den Städten des Reiches in Schwaben
große Ungebühr, Schmach und Schande an. Sie ritten vor die Städte und ver-
heerten vor den Städten und in den Dörfern, was sie konnten; sie hieben das
Kraut mit den Schwertern ab; sie pflügten die Wiesen um, die zu den Städten
gehörten, und das Feld und säeten Senf darein; denn Senf hat die Art: wo er
einmal gesäet wird, da wächst er immer wieder, so daß man seiner nicht gut ledig
werden kann. Auch hieben sie ihnen die Reben ab und die Fruchtbäume, und der-
gleichen Ungebühr und Schaden taten die von Württemberg gar viel. Doch die
Städte taten nichts anderes, als daß sie das Vieh den Herren nahmen und
raubten und brannten und die Leute fingen, also wie man im offenen Kriege
tut. So wurden in diesem Kriege gegen fünfzehnhundert Dörfer verwüstet und
verbrannt und gegen vierzehnhundert Menschen gefangen und erschlagen zu beiden
Seiten.
Dieser Krieg war darum, daß der von Mürttemberg meinte, die Städte
zögen ihm viele Leute ab, die sie aufnähmen als Ausbürgers), und sie enthielten
ihm die Stadt Weil vor, die ihm ein Kaiser für seinen Dienst zuvor gegeben
hätte, wofür er gute Briefe") habe; überdies schädigten ihn die vorgenannten
Städte an vielen Rechten, die ihm zugehörten. Hingegen meinten dieselben
Städte, sie hätten gute Freiheit von Kaisern und Königen, daß sie wohl Bürger
1) Jakob Twinger (eigentlich Fritsche) aus dem Straßburger Vorort Königshofen
(1346—1420), Verwalter des bischöflichen Archivs zu Straßburg, schrieb eine bis zum
Jahre 1415 reichende Chronik, die er entsprechend dem bei dem erstarkten Bürgertum
wachsenden Bedürfnis nach deutschen Geschichtsbüchern in deutscher Sprache abfaßte. Er
selbst war Augenzeuge jener Kämpfe und Unruhen des ausgehenden 14. Jahrhunderts und
schildert sie auf Grund eigener Erlebnisse und mündlicher Berichte im ganzen treu und
wahr.
1) Genauer etwa zwei Jahre: vom Herbst 1376 bis August 1378.
2) Ausbürger sind Pfahlbürger; vgl. S. 108. Anm. 7.
!) Karl IV. hatte die Stadt Weil an Eberhard verpfändet.