Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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wohin sie wollten. Sonst nähmen sie die ganze Flotte. Da beschworen die 
Schiffsherren, daß sie kein feindliches Gut führten. Doch wollten die Engländer 
das nicht glauben und brachten die Schiffsherren dazu, daß sie mit ihnen in einen 
englischen Hafen segelten; denn sie gelobten Sicherheit allen, die kein Feindegut 
hätten. Da sie in den Hafen gekommen waren, da nahmen die Engländer hinter- 
listigerweise alle die Schiffe, Gut und Leute.1) · 
1474 wurde eine Zusammenkunft zwischen den englischen und den Ostsee- 
städten abgehalten in Utrecht. Da wurde eine vollkommene Einigung zustande 
gebracht. Die Engländer brachten versiegelte Briefe von ihrem Könige mit, daß 
die Hansastädte fortan im Reiche England alle Privilegien und Rechte genießen 
sollten, die sie früher gehabt, und daß den Städten ihr Schaden mit 20000 Mark 
lübisch sollte ersetzt werden. 
86. 
Die deutschen Städte im ausgehenden Mittelalter. 
1458. 
Quelle: Aneas Sylvius, Über die Religion, die Lage, die Sitten und 
die Verfassung Deutschlands (Lateinisch)2. 
Übersetzung: Ch. E. Krämer, Historisches Lesebuch über das deutsche Mittelalter. Leipzig o. J. S. 466—470. 
Überall sehen wir wohlbestellte Fluren, Neuland, Weinberge, Parke, Blumen- 
anlagen, Obstgärten auf dem Lande und um die Städte, Gebäude voll Ver- 
feinerungen: die lieblichsten Landhäuser, Burgen auf Bergeshöhen, feste Plätze mit 
Mauern umgürtet, die glänzendsten Städte, an denen meistens die größten Ströme 
vorbeiwallen, oder die umschlungen sind von den klarsten Flüssen, auf Brücken von 
Holz oder Stein überschreitbar. Durchwandern wir ein wenig die bemerkens- 
werten Städte des deutschen Volkes, und es wird deutlicher einleuchten, wie groß 
der Ruhm und der Glanz dieser Nation sei. 
Cöln, das durch die Gebeine der drei Magier berühmt ist, nichts Pracht- 
volleres, Schmuckreicheres findest du in ganz Europa. Ausgezeichnet durch seine 
Kirchen und Bauwerke, hervorragend durch seine Bevölkerung, berühmt durch 
seinen Reichtum, mit Blei gedeckt, durch Pfalzen geschmückt, mit Türmen be- 
festigt, reizuoll durch den Rheinstrom und die prangenden Fluren ringsum . ... 
Die alte Stadt Mainz mit prächtigen Kirchen, privaten und öffentlichen Ge- 
bäuden geziert, hat nichts, das man tadeln könnte, außer der Enge der Straßen. 
Auch Worms, obgleich nicht von großem Umfang, kann niemand absprechen, daß 
es eine gar anmutige Stadt ist. Auch Speier wird niemand mißachten, das 
1) Die Folge war ein 25jähriger Kaperkrieg. Infolge der kühnen Kaperfahrten des 
Danziger Schiffshauptmannes Paul Beneken mußten sich die Engländer bequemen, die 
hchen Kaufleute in Brügge um Vermittlung zu bitten. So wurde der Tag zu Utrecht 
angesetzt. 
) Der Kardinal Enea Silvio von Piccolomini (Aneas Sylvius), der nachmalige 
Papst Pius II. (1458—1464), der uns auch eine Darstellung des Baseler Konzils und des 
Lebens Friedrichs III. hinterlassen hat, war einer der ersten italienischen Humanisten, die 
nach Deutschland kamen. Das begeisterte Lob Deutschlands und seiner Städte ist eine 
Erwiderung auf den Vorwurf eines Mainzer Kanzlers, der behauptet hatte, Deutschland 
sei infolge der Ausbeutung durch Rom heruntergekommen.
	        
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