Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Mit großer Andacht bereitete ich mich zur Messe und zum Gebete, aber wenn 
ich am andächtigsten war, so ging ich ein Zweifler zum Altar, ein Zweifler ging 
ich davon; hatte ich meine Buße gesprochen, so zweifelte ich abermals. Ich hielt 
täglich Messen, und in einer jeden Messe rief ich drei Heilige an, ich mattete 
meinen Leib mit Fasten und Wachen ab und hielt dafür, ich würde dem Gesetze 
ein Genüge tun und mein Gewissen vor dem Stecken des Treibers befriedigen, 
aber ich richtete nichts aus, und je weiter ich auf diesem Wege fortging, desto 
weiter wurde ich erschreckt, daß ich gar verzweifelt wäre. 
Da fiel ich, ein junger Theologus, im Kloster auf der Liberei in ein Buch, 
da die Reden des Johannes Hus aufgezeichnet und darin geschrieben standen, 
ward aus Fürwitz lüstern, zu sehen, was doch der Erzketzer gelehrt hätte, 
weil das Buch in öffentlicher Liberei erhalten wäre. Da fand ich wahrlich so 
viel, daß ich mich davor entsetzte, warum doch solcher Mann verbrannt wäre, der 
so christlich und gewaltig die Schrift führen konnte. Aber weil sein Name so 
greulich verdammet war, daß ich damals dachte, die Wände würden schwarz, und 
die Sonne müßte den Schein verlieren, wo man des Namens Hus wohl gedächte, 
schlug ich das Buch zu und ging mit verwundetem Herzen davon, tröstete mich 
aber mit solchen Gedanken: Vielleicht hat er solches geschrieben, ehe denn er ist 
Ketzer geworden, denn ich wußte des Konstanzer Konzils Geschichte noch nicht. 
-- 92. 
Luther über das Auftreten Tetzels. 
Quelle: Luther, Wider Hans Worst). 
Übertragung: W. Braune, Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. u. 17. Jahrh. Halle 1882 ff. Nr. 28. S. 50. 
Als nun viel Volks von Wittenberg lief dem Ablaß nach gen Jüterbock und 
Zerbst usw. und ich (so wahr mich mein Herr Christus erlöset hat) nichts wußte, 
was des Ablaß wäre, wie es denn kein Mensch nicht wußte, fing ich säuberlich an 
zu predigen, man könnte wohl besseres tun, das gewisser wäre als Ablaß lösen. 
Solche Predigt hatte ich auch zuvor getan hier auf dem Schlosse wider das Ablaß 
und bei Herzog Friedrich damit schlechte Gnade verdienet; denn er sein Stift auch 
sehr lieb hatte. Nun, daß ich zur rechten Ursachen des lutherischen Lärmens komme, 
ließ ich alles also gehen, wie es ging. Indes kommt vor mich, wie der Tetzel hätte 
gepredigt greulich schreckliche Artikel, der ich jetzt etliche will nennen. Nämlich: 
...... Item, das rote Ablaßkreuz mit des Papstes Wappen, in den Kirchen 
aufgerichtet, wäre ebenso kräftig als das Kreuz Christi. 
Item, wenn St. Peter jetzt hier wäre, hätte er nicht größere Gnade und Ge- 
walt, als er hätte. 
Item, er wollte im Himmel mit St. Peter nicht tauschen; denn er hätte mit 
Ablaß mehr Seelen erlöset als St. Peter mit seinem Predigen. 
« Item, wenn einer Geld in den Kasten legte für eine Seele im Fegefeuer, sobald 
der Pfennig auf den Boden fiel und klänge, so führe die Seele heraus gen Himmel. 
Item, die Ablaßgnade wäre eben die Gande, dadurch der Mensch mit Gott 
versöhnet wird. 
Item, es wäre nicht Not, Reue noch Leid oder Buße für die Sünde zu 
haben, wenn einer das Ablaß oder die Ablaßbriefe kaufet (ich sollte sagen „löset“). 
1) D. h. Herzog Heinrich von Braunschweig.
	        
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