Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Seine mit Deinem großen Nachteil suchte. Er meinte, der eitle Mann, ich würde 
mich vor Deinem Namen fürchten, ihm Raum lassen und schweigen (denn der 
Kunst und Geschicklichkeit, halt ich, hab er sich nit vermessen). Nu, so er siehet, daß 
ich noch getrost bin und mich weiter hören lasse, kommt ihm die späte Reue 
seines Frevels und wird inne (so er anders inne wird), daß einer im Himmel ist, 
der den Hochmütigen widersteht und die vermessenen Geister demütigt. 
Da nn nichts durch die Disputation ward ausgerichtet, denn nur größere Un- 
ehr römischen Stuhles, ist Herr Carolus zu den Vätern meines Ordenst#) kommen, 
hat Rat begehrt, die Sache zu schlichten und zu schweigen, als die denn aufs 
allerwüsteste und fährlichste stand. Da sind etliche Tapfere von denselben zu mir 
gesandt, dieweil es nit zu vermuten, daß mit Gewalt gegen mich möge etwas 
geschafft werden, haben begehrt, daß ich doch wollte Deine Person, hl. Vater, 
ehren und mit untertäniger Schrift Deine und meine Unschuld entschuldigen, ver- 
meinend, es sei die Sach noch nit im Abgrund verloren und verzweifelt, wo der 
hl. Vater Leo wollte nach seiner angeborenen hochberühmten Gütigkeit die Hand 
daran legen. Dieweil aber ich allzeit hab Frieden angeboten und begehrt, auf 
daß ich stillen und bessern Studierens warten möchte, ist mir das eine liebe, fröh- 
liche Botschaft gewesen, hab sie mit Dank aufgenommen und mich auf das 
Willigste lenken lassen und für eine sondere Gnade erkennet, so es also, wie wir 
hoffen, geschehen möchte. Denn ich auch aus keiner andern Ursach so mit starkem 
Mut, Worten und Schreiben gewebt?) und gerumort hab, daß ich die niederlegte 
und stillete, die, wie ich wohl sah, mir weit zu gering sind. 
Also komme ich nu, hl. Vater Leo, und zu Deinen Füßen liegend bitte ich, 
so es möglich ist, wollest Deine Hände daran legen, den Schmeichlern, die des 
Friedens Feinde sind und doch Frieden vorgeben, einen Zaum einlegen. Daß ich 
aber sollt widerrufen meine Lehre, da wird nichts draus, darf's sich auch niemand 
vornehmen, er wollte denn die Sach noch in ein größeres Gewirr treiben. Dazu 
mag ich nit leiden Regel oder Maße die Schrift auszulegen, dieweil das Wort 
Gottes, das alle Freiheit lehret, nit soll noch muß gefangen sein. Wo mir diese 
zwei Stücke bleiben, so soll mir sonst nichts auferlegt werden, das ich nit mit 
allem Willen tun und leiden will. Ich bin dem Hader feind, will niemand an- 
regen noch reizen; ich will aber auch ungereizt sein. Werd ich aber gereizet, will 
ich, ob Gott will, nit sprachlos noch schriftlos sein. Es mag ja Deine Heiligkeit 
mit leichten, kurzen Worten alle diese Haderei zu sich nehmen und austilgen und 
daneben Schweigen und Frieden gebieten, welches ich allzeit zu hören ganz be- 
gierig bin gewesen. 
95. 
Luthers Bruch mit Rom. 
Quelle: Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des 
christlichen Standes Besserung. 1520. 
Übertragung: W. Braune, Neudrucke a. a. O. Nr. 4. 
Es ist nicht aus lauter Fürwitz noch Frevel geschehen, daß ich einiger 
armer Mensch mich unterstanden, vor Euren hohen Würdens) zu reden. Die Not 
und Beschwerung, die alle Stände der Christenheit, besonders das deutsche Land, 
1) des Augustinerordens. 
2) mich gerührt. 
2) Gemeint ist: die Kaiserliche Majestät Karl V.
	        
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