Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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selben Wort und Verstand verwerfen und dem Papst folgen, der nicht Glauben noch 
Geist hat? Wäre doch das) den ganzen Glauben und die christliche Kirche verleug- 
nen. Item, es muß ja nicht allein der Papst Recht haben, der Artikel recht ist: 
„Ich glaube eine heilige christliche Kirche,“ oder müssen also beten: „Ich glaube in 
den Papst zu Rom,“ und also die christliche Kirche ganz in einen Menschen ziehen, 
welches nicht anderes denn teufelisch und höllisch Irrtum wäre 
Die dritte Mauer fällt von ihr selbst, wo diese ersten zwo fallen; denn wo der 
Papst wider die Schrift handelt, sein wir schuldig, der Schrift beizustehen, ihn strafen 
und zwingen nach dem Wort Christi Matth. 18, 15—17: „Sündiget dein Bruder 
wider dich, so geh hin und sag's ihm zwischen dir und ihm allein; höret er dich 
nicht, so nimm noch einen oder zween zu dir; höret er die nicht, so sag es der 
Gemeine; höret er die Gemeine nicht, so halte ihn als einen Heiden 
Sie haben auch keinen Grund der Schrift, daß allein dem Papst gebühr, ein 
Concilium zu berufen oder bestätigen, denn allein ihre eigenen Gesetze, die nicht 
weiter gelten, denn soferne sie nicht schädlich sein der Christenheit und Gottes 
Gesetzen. Wo nun der Papst sträflich ist, hören solch Gesetz schon auf, dieweil 
es schädlich ist der Christenheit, ihn nicht zu strafen durch ein Concilium. So 
lesen wir Apostelgeschichte 15, daß der Apostel Concilium nicht St. Peter hat be- 
rufen, sondern alle Apostel und die Altesten Darum, wo es die Not 
fordert und der Papst ärgerlich der Christenheit ist, soll dazu tun, wer am ersten 
kann, als ein treu Glied des ganzen Körpers, daß ein recht frei Concilium werde, 
welches niemand so wohl vermag als das weltliche Schwert. Wäre das nicht ein 
unnatürlich Furnehmen, so ein Feuer in einer Stadt aufginge, und jedermann 
sollte stille stehen, lassen für und für brennen, was da brennen mag, allein 
darum, daß sie nicht die Macht des Burgemeisters hätten oder das Feuer vielleicht 
an des Burgemeisters Haus anhübe? Ist nicht hier ein jeglicher Bürger schuldig, 
die anderen zu bewegen und berufen? Wie viel mehr soll das in der geistlichen 
Stadt Christi geschehen, so ein Feuer des Argernis sich erhebt, es sei an des 
Papsts Regiment oder wo es wolll 
Denn solch seine vermessene Gewalt ist nichts, er hat sie auch nicht, und wird 
bald mit einem Spruch der Schrift niedergelegt, denn Paulus zu den Korinthern 
sagt: „Gott hat uns Gewalt geben, nicht zu verderben, sondern zu bessern die 
Christenheit.“ Wer will über diesen Spruch hüpfen? 
96. 
Luther wird vor den Reichstag geladen. 
6. März 1521. 
Quelle: Karls V. Vorladungsbrief an Luther. Worms, 6. März 1521. 
Fundort: Deutsche Reichstagsakten, jüngere Reihe, Bd. 2. Bearb. von A. Wrede. Gotha 1896. 
„Karl von Gottes Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten 
Mehrer des Reichs usw. 
Ehrsamer, Lieber, Andächtiger !:) Nachdem wir uns und des heiligen Reichs 
Stände, jetzt hier versammelt, vorgenommen und entschlossen, der Lehren und 
1) Hieße doch daoas .. 
2) Der päßpstliche Nuntius entrüstete sich über diese ehrende Anrede. Es war jedoch 
nur die übliche für einen Mann von Luthers weltlichem und geistlichem Stand. Kurfürst 
Friedrich begann seinen Geleitbrief vom 11. März weit ehrenvoller: „Ehrwürdiger, geist- 
licher und hochgelehrter, lieber, andächtiger.“
	        
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