Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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daß ich's aus keinem Zag getan habe. Er sah mein Herz wohl, da ich zu Worms 
einkam, daß wenn ich hätte gewußt, daß soviel Teufel auf mich gehalten hätten, 
als Ziegel auf den Dächern sind, wäre ich dennoch mitten unter sie gesprungen 
mit Freuden. Nun ist Herzog Georgt) noch sehr ungleich auch nur einem einzigen 
Teufel. Und sintemal der Vater der unergründlichen Barmherzigkeit uns durchs 
Evangelium gemacht hat freudige Herren über alle Teufel und Tod und uns ge- 
geben den Reichtum der Zuversicht, daß wir dürfen zu ihm sagen: herzliebster 
Vater, so kann E. k. G. selbst ermessen, daß es solchem Vater die höchste Schmach 
ist, so wir nicht sowohl ihm vertrauen sollten, daß wir auch Herren über Herzog 
Georgs Zorn sind. Das weiß ich ja von mir wohl, wenn diese Sache zu Leipzig 
also stünde wie zu Wittenberg, so wollte ich dennoch hineinreiten, wenn's gleich 
(E. k. G. verzeihen mir mein närrisch Reden) neun Tage eitel Herzog Georgen 
regnete Ich will aber E. k. G. nicht verbergen, daß ich für Herzog Georgen 
habe nicht nur einmal gebeten und geweinet, daß ihn Gott wolle erleuchten. Ich 
will auch noch einmal bitten und weinen, danach nimmermehr . . . ... 
Solches sei E. k. G. geschrieben, der Meinung, daß E. k. G. wisse, ich komme 
gen Wittenberg in gar viel einem höheren Schutz denn des Kurfürsten. 
Ich hab's auch nicht im Sinn, von E. k. G. Schutz zu begehren. Ja ich 
halt, ich wollt E. k. G. mehr schützen, denn sie mich schützen könnte. Dazu, 
wenn ich wüßte, daß mich E. k. G. könnte und wollte schützen, so wollte ich nicht 
kommen. Dieser Sachen soll noch kann kein Schwert raten oder helfen, Gott 
muß hier allein schaffen ohne alles menschliche Sorgen und Zutun. Darum, wer 
am meisten gläubt, der wird hie am meisten schützen 
Hiermit befehle ich E. k. G. in Gottes Gnaden. Weiter wollen wir aufs 
schierste:) reden, so es not ist. Denn diese Schrift habe ich eilend abgefertigt, daß 
nicht E. k. G. Betrübnis widerführe von dem Gehöre meiner Ankunfts); denn ich 
soll und muß jedermann tröstlich und nicht schädlich sein, will ich ein rechter Christ 
sein Gott sei Liebe und Lob in Ewigkeit. Amen. Gegeben zu Borna 
bei dem Geleitsmann am Aschermittwoch, Anno 1522. 
Eurer kurfürstlichen Gnaden untertäniger Diener Martin Luther. 
102. 
Luther im Schwarzen Bären zu Jena. 
1522. 
Quelle: Tagebuchaufzeichnungen Johann Keßlers") 
Fundort: J. J. Bernet, Johann Keßler, genannt Athenarius, bürzer und Reformator zu * Gallen. 
St. Gallen 1826. S. 28—3 
Da wir, die heilige Schrift zu studieren, gen Wittenberg reisten, sind wir 
nach Jena im Lande Thüringen gekommen in einem wüsten Gewitter, und nach 
vielem Umfragen in der Stadt um eine Herberge haben wir keine erhaschen und 
  
1) von Sachsen, Luthers grimmiger Gegner, durch dessen Gebiet (Leipzig) Luther 
nach Wittenberg ziehen mußte. 
m2) baldigst. 
2) in Wittenberg. 
"4) Die beiden Schweizer Johann Keßler und Johann Reutiner zogen im ersten Früh- 
jahr 1522 nach Wittenberg, um dort unter den Reformatoren weiter zu studieren. In Jena 
trafen sie mit dem von der Wartburg nach Wittenberg zurückkehrenden Luther zusammen.
	        
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