Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Kirschen, Spillingel) und Pflaumen, singen, springen und sind fröhlich; haben 
auch schöne kleine Pferdlein mit güldenen Zäumen und silbernen Sätteln. Da 
fragt ich den Mann, des der Garten ist, wes die Kinder wären? Da sprach er: 
Es sind die Kinder, die gern beten, lernen und fromm sind. Da sprach ich: 
Lieber Mann, ich hab auch einen Sohn, heißt Hänsichen Luther, möcht er nicht 
auch in den Garten kommen, daß er auch solche schöne Apfel und Birnen essen 
möchte und solche feine Pferdlein reiten und mit diesen Kindern spielen? Da 
sprach der Mann: Wenn er gern betet, lernet und fromm ist, so soll er auch in 
den Garten kommen, Lippus:) und Josts) auch, und wenn sie alle zusammen 
kommen, so werden sie auch Pfeifen, Pauken, Lauten und allerlei Saitenspiel 
haben, auch tanzen und mit kleinen Armbrüsten schießen. 
Und er zeigte mir dort eine feine Wiese im Garten, zum Tanzen zugerichtet, 
da hingen eitel güldene Pfeifen, Pauken und feine silberne Armbrüste. Aber es 
war noch frühe, daß die Kinder noch nicht gegessen hatten; darum konne ich 
des Tanzes nicht erharren und sprach zu dem Mann: Ach, lieber Herr, ich will 
flugs hingehen und das alles meinem lieben Söhnlein Hänsichen schreiben, daß er 
ja fleißig bete und wohl lerne und fromm sei, auf daß er auch in diesen Garten 
komme. Aber er hat eine Muhme Lena"), die muß er mitbringen. Da sprach der 
Mann: Es soll ja sein, gehe hin und schreibe ihm also. 
Darum, liebes Söhnlein Hänsichen, lerne und bete ja getrost und sage es 
Lippus und Josten auch, daß sie auch lernen und beten: so werdet ihr mit- 
einander in den Garten kommen. Hiemit bis 5) dem allmächtigen Gott befohlen 
und grüße Muhme Lene und gib ihr einen Kuß von meinetwegen. 
Dein lieber Vater 
Martinus Luther. 
104. 
Der Aufstand der schwäbischen Bauern. 
März 1525. 
Quelle: Die zwölf Artikel der schwäbischen Bauern. März 1525.5) 
Übertragung aus dem Abdruck des frühnbd. Textes bei Alfred öbe, Dier zwolf Artikel der Bauern 1525. 
Historische Vierteljahrsschrift. 1903. S. 
Die gründlichen und rechten Hauptartikel aller Bauernschaft und Hintersassen 
der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, von welchen sie sich beschwert vermeinen. 
Es sind viele Widerchristen, die jetzt wegen der versammelten Bauernschaft 
das Evangelium zu schmähen Ursache nehmen, indem sie sagen: „Das sind die 
Früchte des neuen Evangeliums, niemand gehorsam sein, an allen Orten sich 
emporheben und aufbäumen, mit großer Gewalt zu Hauf laufen und sich rotten, 
geistliche und weltliche Obrigkeit zu reformieren, auszurotten, ja vielleicht gar zu 
erschlagen !“ Allen diesen gottlosen freventlichen Urteilen antworten diese hier ge- 
1) kleine gelbe Pflaumen. 
2) Philipp Melanchthons Sohn, geb. 1525. 
2) Justus Jonas' Sohn, geb. 1525. 
!) Eine Tante von Luthers Frau, die auch aus dem Kloster Nimbschen entwichen 
war und bis zu ihrem Tode (1537) in Luthers Hause als Stütze lebte. 
5) sei. 
6) Als Verfasser der Artikel ist wahrscheinlich Christoph Schappeler anzusehen, evan- 
gelischer Prediger in Memmingen.
	        
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