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Standes, sollen friedlich und ruhig bei- und nebeneinander wohnen, und kein
Teil des anderen Religion, Kirchengebräuche oder Zeremonien abzutun oder sie
davon zu dringen unterstehen, sondern jeder Teil soll den anderen laut dieses
Friedens bei solcher seiner Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und
Zeremonien, auch seiner Hab und seinen Gütern und allem anderen
ruhiglich und friedlich bleiben lassen.
111.
Adel und Bürgertum im 16. Jahrhundert.
A. Die Ritterschaft.
Quelle: Brief Ulrichs von Hutten an Wilibald Pirkheimer
über sein Leben. 1518.
Fundort: Dentzer, Soziale Bewegungen im 16. Jahrh. Leipzig. S. 8—9.
Man lebt auf dem Felde, in Wäldern und in jenen Bergnestern. Die uns
ernähren, sind ganz arme Bauern, denen wir unsere Acker, Weinberge, Wiesen
und Wälder verpachten; der Zins, der davon einkommt, ist im Verhältnis zur
aufgewendeten Mühe gering und kärglich; aber mag er noch so ansehnlich und
fett sein, wird er doch nur mit großer Mühe und Sorge erworben: denn wir
müssen sorgsame Hausväter sein und überdies dem Dienste irgendeines Fürsten
verpflichtet, von dem die Hoffnung auf Schutz abhängt; denn wenn ich es nicht
bin, glauben alle, es sei ihnen alles gegen mich erlaubt; aber auch wenn ich es
bin, ist jene Hoffnung mit Gefahr und täglicher Furcht gemischt; denn so oft ich
von Hause weggehe, besteht die Gefahr, daß ich in die Hände derer falle, mit
denen jener, welcher Fürst es auch sei, einen Handel oder Krieg hat, der ihnen
einen Vorwand gibt, mich zu überfallen und wegzuschleppen; und wenn mir das
Glück unhold ist, so kann leicht mein halbes Gut für das Lösegeld daraufgehen,
und so trifft mich Schaden von dort, von wo ich auf Schutz gehofft hatte. Daher
füttern wir zu diesem Zwecke Pferde und rüsten uns aus, umgeben uns mit zahl-
reichem Gefolge, alles unter großen und schweren Kosten; bisweilen wagen wir
uns unbewaffnet nicht zwei Morgen weit hinaus; keinen Bauernhof dürfen wir
unbewaffnet aufsuchen, nur gepanzert jagen und fischen gehen.... Das sind
unsere ländlichen Freuden, das ist unsere Muße, unsere Ruhe. Unsere Burg selbst,
mag sie auf dem Berge oder in der Ebene liegen, ist nicht zur Annehmlichkeit,
sondern zur Verteidigung erbaut, mit Wall und Graben umgeben, innen eng,
verbunden mit Viehställen, daneben dunkle Geschützkammern, angefüllt mit Pech,
Schwefel und dem übrigen Apparat von Waffen und Kriegsmaschinen; überall
Pulvergeruch, Hunde und Hundegestank. Reiter kommen und gehen, unter ihnen
Diebe und Räuber; denn unsere Häuser stehen meist allen offen, da wir entweder
nicht wissen, welcher Art jeder ist, oder nicht sonderlich darnach forschen. Man
hört Schafgeblök, Rindergebrüll, Hundegebell, das Lärmen der Arbeiter auf dem
Felde, Karren= und Wagenknarren, auch Wolfsgeheul, da unser Haus nahe dem
Walde liegt. An jedem Tage Sorge um den morgigen Tag und Unruhe
Wenn dann einmal ein Jahr schlecht ausfällt, wie in jener unfruchtbaren Gegend
sehr oft, entsteht eine schreckliche Not, eine schreckliche Armut.