Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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B. Adel und Städter. 
Quelle: Huttens Dialog: „Die Anschauenden.“ 1520. 
Übertragung: Kürschner, Deutsche Nationalliteratur. Bd. 17. 2. Abteilung. S. 311. 3 47. 
Phaeton:): Was ist aber der gemeine Adel? 
Sol: Das ist der Ritterorden, eine große Macht und Stärke deutscher Nation. 
Denn ihrer sind viel und geübt in Kriegen; über das sieht man noch bei ihnen 
einen Schein alter Tugend, gute Gewohnheit und den Deutschen angeborene 
Redlichkeit. Diesen gefällt noch die alte deutsche Weise und hassen alle fremden 
Sitten, wo die bei ihnen einbrechen. 
Phaeton: Ich sehe aber wohl, daß sie vielen Menschen Verdruß tun. 
Sol: Das tun sie. 
Phaeton: Und anderen das ihre mit Gewalt nehmen, Krieg und Aufruhr 
erwecken, auch wider die Fürsten. Aber zu voran und vor allen verfolgen sie 
Kaufleute. 
Sol: Dadurch machen sie sich auch viel Feide 
Phaeton: Warum treibt man sie denn nicht aus? 
Sol: Darum, daß ein Teil das nicht tun will, ein anderer Teil es nicht ver- 
mag, ob er es gern wollte. 
Phaeton: Welche wollen das nicht tund 
Sol: Die Fürsten; denn einige brauchen sie zur Bestimmung ihrer Gewalt. 
Ja, ich mag sagen, auf denen steht die Macht aller Fürsen 
Phaeton: Und ist aus dieser Ursache solche Räuberei bei den Deutschen? . 
Sol: Am meisten aus dieser, wiewohl auch aus einer anderen. 
Phaeton: Welches ist die? 
Sol: Aus Haß gegen die Kaufleute und freien Städte 
Phaeton: Warum hassen sie Kaufleute? 
Sol: Darum, daß sie ausländische Ware zu ihnen bringen als Spezerei, 
Seiden, Purpur und andere, die zu nichts denn einer unnützen Pracht und über- 
fluß gebräuchlich, verkehren die besten und männlichen Sitten ihrer Nation, indem 
sie ausländische Gewohnheiten und ein weiches Leben einführen, das der deutschen 
Art von Natur zuwider und nicht mit Unrecht verhaßt ist. 
Phaeton: Sie haben Grund; denn ich kann mir wohl denken, dieweil ihrer 
viele sich also zart und weichlich halten, daß bei wenigen bleibt Achtung vor 
strenger Tugend So können sie die Städter ja vertreiben! 
Sol: Das hätten sie schon längst getan, wären sie nicht mit Mauern und Be- 
festigungen umringt gewesen. So nun die Müßiggänger diesen Behelf gebrauchen, 
ist der einzige Weg der geblieben, sie zu beleidigen, sobald einer außerhalb der 
Mauern wandelt, daß sie den überfallen und berupfen. 
Phaeton: Meines Bedenkens ist es nicht unnütz, daß die Verweichlichten also 
in Furcht gehalten werden, auf daß sie nicht aus allzu großer Sicherheit noch 
ärger werden. 
#2) Eine Unterhaltung zwischen „Sol“ und „Phaeton", die vom Sonnenwagen aus 
auf den Reichstag zu Augsburg (1518) herabsahen.
	        
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