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Blei und Lunten, daß er der Wache austeilte, was sie bedurfte; er mußte wohl
in der Stadt bleiben. Ich hatte Lust, mit Weib und Kindern aus der Stadt zu
ziehen, er aber wollte mich nicht, viel weniger seine Tochter aus der Stadt
lassen, hieß uns zu Haus bleiben. Er hatte einen ziemlichen Beutel mit Talern
gefüllt, damit gedachte er sich im Unfall loszumachen. Aber es war der Mittag
am Fest Michaelis noch nicht recht heran, da erschienen vierzehn Reiter; man
meinte, es wären Herzog Bernhards Völker, aber es war sehr weit gefehlet.
Diese mußte man nun einlassen ohne allen Dank. Ihnen folgten bald etliche
Fußgänger, die zum Anfang alles durchsuchten, und schlugen und schossen, wer
nicht parieren wollte. Mitten auf dem Markte hatte einer von jenen vierzehn
meinen Schwiegervater mit dem Pistol vor den Kopf geschlagen, daß er sofort
niedergefallen. Der Reiter ist abgestiegen, hat ihm die Hosen visitieret, und haben
die Bürger, so auf dem Rathause gewesen, gesehen, daß der Dieb einen großen
Klumpen Geld herausgezogen. Als dem Schwieger die Betäubung von dem
Schlage vergangen und er aufgestanden war, mußte er mit in das Sternwirtshaus,
wo sie zwar zu essen fanden, aber nichts zu trinken; da sprach er, er wolle heim
und zu trinken bringen. Weil sie nun gedachten, er möchte ihnen entlaufen,
nahmen sie das Zinn und Essen alles mit und kamen in unser Haus. Es währte
nicht lange, so forderte einer Geld; da er sich nun entschuldigte, stach ihn der
Tropf mit seinem eigenen Brotmesser in Gegenwart meines und seines Weibes,
daß er zu Boden sank. Hilf Gott! wie schrie mein Weib und Kind! Ich stak in
des Baders Haus über dem Ställchen im Stroh, sprang herab und wagte mich
unter sie. Ich nahm meinen Schwiegervater, der da wie ein Trunkener taumelte,
und trug ihn in die Badstube, daß er verbunden wurde. Dann räumten die Sol-
daten das Haus und die Gasse. Ich wagte mich weiter, ging durch Baders Höflein
in meines Schwähers Kammer, trug Betten und Kissen hinüber, worauf wir ihn
legten. Noch weiter mußte ich's wagen, ich ging in den Keller, einen Labetrunk
für den Schwiegervater zu holen. Kaum war ich hinüber, so kommt ein Schelm
in die Badstube, wirft den Kranken vom Bette und sucht alles aus.
Weil nun in der Stadt ein Metzeln und ein Niederschießen stattfand, auch
niemand sicher war, kamen in einer Stunde unterschiedliche Bürger, wollten sich
verbinden lassen. Da gab mein Schwiegervater zu, daß ich ein Loch suchte und
aus der Stadt käme, mein Weib und Kinder aber wollte er nicht mit mir lassen.
Also ging ich auf die Schloßgärten zu, daß ich gen Holzhausen und Gellershausen
zu sehen konnte, ob's sicher wäre. Dann fanden sich Bürger und Weiber zu mir,
an mir einen Trost zu haben und mit mir zu reisen. Als wir nun bei den Heide-
äckern waren, ritten acht Reiter, es waren Kroaten, oben auf der Höhe. Da sie
unser gewahr wurden, errannten sie uns eilends. Zwei Bürger entkamen, ich
mußte am meisten aushalten. Sie zogen mich aus, Schuhe, Strümpfe und Hosen,
und ließen mir nur die Kappe. Mit den Hosen gab ich ihnen meinen Beutel
Geld, den ich vor den ersten Mausern gerettet hatte. Die Not war so groß, daß
ich nicht an meinen Beutel dachte, bis ich ihn zum letztenmal sah. Sie hieben
auch mit ihren Säbeln auf mich ein, und ich hielt meine Arme und Hände
entgegen, habe durch Gottes Schutz nur eine kleine Wunde unten an der Faust
bekommen.
Unterdessen wurden sie einen Bauern gewahr, der sich in den Büschen besser
verkriechen wollte. Es war der reiche Kaspar von Gellershausen; auf solchen ritten
sie alle zu, und blieb nur einer bei mir, der ein geborener Schwede und ge-
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch, I. 14