Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Blei und Lunten, daß er der Wache austeilte, was sie bedurfte; er mußte wohl 
in der Stadt bleiben. Ich hatte Lust, mit Weib und Kindern aus der Stadt zu 
ziehen, er aber wollte mich nicht, viel weniger seine Tochter aus der Stadt 
lassen, hieß uns zu Haus bleiben. Er hatte einen ziemlichen Beutel mit Talern 
gefüllt, damit gedachte er sich im Unfall loszumachen. Aber es war der Mittag 
am Fest Michaelis noch nicht recht heran, da erschienen vierzehn Reiter; man 
meinte, es wären Herzog Bernhards Völker, aber es war sehr weit gefehlet. 
Diese mußte man nun einlassen ohne allen Dank. Ihnen folgten bald etliche 
Fußgänger, die zum Anfang alles durchsuchten, und schlugen und schossen, wer 
nicht parieren wollte. Mitten auf dem Markte hatte einer von jenen vierzehn 
meinen Schwiegervater mit dem Pistol vor den Kopf geschlagen, daß er sofort 
niedergefallen. Der Reiter ist abgestiegen, hat ihm die Hosen visitieret, und haben 
die Bürger, so auf dem Rathause gewesen, gesehen, daß der Dieb einen großen 
Klumpen Geld herausgezogen. Als dem Schwieger die Betäubung von dem 
Schlage vergangen und er aufgestanden war, mußte er mit in das Sternwirtshaus, 
wo sie zwar zu essen fanden, aber nichts zu trinken; da sprach er, er wolle heim 
und zu trinken bringen. Weil sie nun gedachten, er möchte ihnen entlaufen, 
nahmen sie das Zinn und Essen alles mit und kamen in unser Haus. Es währte 
nicht lange, so forderte einer Geld; da er sich nun entschuldigte, stach ihn der 
Tropf mit seinem eigenen Brotmesser in Gegenwart meines und seines Weibes, 
daß er zu Boden sank. Hilf Gott! wie schrie mein Weib und Kind! Ich stak in 
des Baders Haus über dem Ställchen im Stroh, sprang herab und wagte mich 
unter sie. Ich nahm meinen Schwiegervater, der da wie ein Trunkener taumelte, 
und trug ihn in die Badstube, daß er verbunden wurde. Dann räumten die Sol- 
daten das Haus und die Gasse. Ich wagte mich weiter, ging durch Baders Höflein 
in meines Schwähers Kammer, trug Betten und Kissen hinüber, worauf wir ihn 
legten. Noch weiter mußte ich's wagen, ich ging in den Keller, einen Labetrunk 
für den Schwiegervater zu holen. Kaum war ich hinüber, so kommt ein Schelm 
in die Badstube, wirft den Kranken vom Bette und sucht alles aus. 
Weil nun in der Stadt ein Metzeln und ein Niederschießen stattfand, auch 
niemand sicher war, kamen in einer Stunde unterschiedliche Bürger, wollten sich 
verbinden lassen. Da gab mein Schwiegervater zu, daß ich ein Loch suchte und 
aus der Stadt käme, mein Weib und Kinder aber wollte er nicht mit mir lassen. 
Also ging ich auf die Schloßgärten zu, daß ich gen Holzhausen und Gellershausen 
zu sehen konnte, ob's sicher wäre. Dann fanden sich Bürger und Weiber zu mir, 
an mir einen Trost zu haben und mit mir zu reisen. Als wir nun bei den Heide- 
äckern waren, ritten acht Reiter, es waren Kroaten, oben auf der Höhe. Da sie 
unser gewahr wurden, errannten sie uns eilends. Zwei Bürger entkamen, ich 
mußte am meisten aushalten. Sie zogen mich aus, Schuhe, Strümpfe und Hosen, 
und ließen mir nur die Kappe. Mit den Hosen gab ich ihnen meinen Beutel 
Geld, den ich vor den ersten Mausern gerettet hatte. Die Not war so groß, daß 
ich nicht an meinen Beutel dachte, bis ich ihn zum letztenmal sah. Sie hieben 
auch mit ihren Säbeln auf mich ein, und ich hielt meine Arme und Hände 
entgegen, habe durch Gottes Schutz nur eine kleine Wunde unten an der Faust 
bekommen. 
Unterdessen wurden sie einen Bauern gewahr, der sich in den Büschen besser 
verkriechen wollte. Es war der reiche Kaspar von Gellershausen; auf solchen ritten 
sie alle zu, und blieb nur einer bei mir, der ein geborener Schwede und ge- 
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch, I. 14
	        
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