— 210 —
fangen worden war. Dieser sagte zu mir: „Pfaffe, lauf, du mußt sonst sterben.“
Auch sagte er, er wäre gut schwedisch. Ich faßte Vertrauen zu dem Rate und
bat ihn, wenn ich liefe, sollte er mir zum Scheine nachreiten, als wenn er mich
einholen wollte. Und also geschah es, daß ich den Kroaten entkam. Der reiche
Kaspar aber mußte an jenem Orte elend sterben. Sie haben ihm die Kniekehlen
entzwei gehauen. Darüber ist er an diesem Orte liegen geblieben und wurde nach
Abzug der Feinde gefunden.
Ich aber lief im Eichenholze ungefähr eine ganze Stunde fortwährend, konnte
keinen dichten Busch ersehen, worin ich mich verbergen konnte, fiel endlich gar in
eine Wasserlache. Ich war so matt vom Laufen, daß ich nicht weiter konnte. Also
saß ich, bis es Nacht wurde, stand auf und ging immer dem dichten Gebüsch
nach; so kam ich heraus, daß ich gen Seidenstadt hinaussehen konnte. Ich schlich
mich ins Dorf, und weil ich Hunde bellen hörte, hoffte ich, Leute zu Haus an-
zutreffen, aber da war niemand. Ich ging deswegen in einen Stadel und wollte
mich zu Nacht auf dem Heu behelfen. Da schickt Gott, daß die Nachbarn, die im
Strauchloche sich verkrochen gehabt, eben hinter diesem Stadel zusammenkommen
und beraten, wo sie sich wieder sammeln, und wo sie hingehen wollen. Das
konnte ich deutlich hören, stieg deswegen herab und ging auf das Haus zu. Da
war der Bauer gerade hinein, hatte ein Licht angezündet, stand im Keller und
rahmte die Milch ab, die er essen wollte. Ich stand oben am Loch, redete ihn an
und grüßte ihn. Er erschrak sehr, als ich ihm aber sagte, daß ich Pfarrer zu
Poppenhausen und von Soldaten ausgezogen wäre, trug er die Milch herauf, und
ich bat ihn, daß er mir bei seiner Nachbarschaft von Kleidern etwas zuwege
brächte, ich wollte mit ihnen, wohin sie auch gehen würden. Er ging aus, unter-
dessen machte ich mich über seinen Milchtopf und leerte ihn ganz aus. Es hat
mir mein Lebtag keine Milch so wohlgeschmeckt. Er kam nebst andern wieder, und
brachte mir einer ein Paar alte lederne Hosen, die von Wagenteer sehr übel
rochen, ein anderer ein Paar alte Riemenschuhe, ein anderer zwei Strümpfe, einen
grünen und einen weißen wollenen. Diese Livree schickte sich weder für einen
Reisenden noch für einen Pfarrer. Dennoch nahm ich's mit Dank an, konnte
aber in den Schuhen nicht gehen, denn sie waren hart gefroren. Die Strumpf-
sohlen waren zerrissen, und ich ging also mit ihnen mehr barfuß als beschuhet gen
Hildburghausen. Wenn wir uns umsahen, so sahen wir, wie es im Itzgrund an
vielen Orten lichterloh aufbrannte. Damals gingen auch Ummerstadt, Rodach,
Eisfeld und Heldburg im Feuer zugrunde.
JIch machte mit meiner Ankunft solchen Schrecken und Furcht zu Hildburg-
hausen, daß sich niemand sicher wußte, obgleich die Stadt starke Wache hielt. Mir
aber war nur die Sorge, wie ich ein ehrlich Kleid, Strümpfe, Schuhe usw. be-
kommen möchte, ehe wir von da ausrissen. Ging deswegen unbeschuhet zum Herrn
Bürgermeister Paul Waltz, zum Diakonus usw. und bat, mir etwas zu schenken,
damit ich mich ehrlich bedecken möchte. Herr Waltz schenkte mir einen alten Hut,
der war fast eine Elle hoch, entstellte mich mehr als etwas anderes, gleichwohl
setzte ich ihn auf. Herrn Schnetters Eidam schenkte mir ein Paar Hosen, die über
den Knien zugingen, die waren noch gut, Herr Dressel ein Paar schwarze
Strümpfe, der Kirchner ein Paar Schuhe. Also war ich staffieret, daß ich ohne
Scham unter so viel tausend fremden Leuten, die in der Stadt Sicherheit
suchten, und unter den Bürgern mich durfte sehen lassen. Der Hut aber entstellte
mich gar sehr, darum trachtete ich auf Gelegenheit, wie ich einen anderen über-