Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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standes, in dem sich unsere meiste Jugend nicht ohne ihr äußerstes Verderben 
erlustiren 1). Insonderheit die reisende (rasende) Jugend; die deutsche heranwachsend 
ledige junge Mannschaft, um welcher willen das Vaterland sich dermaleinst billig 
sollte zu erfreuen haben. Aber, o der leidigen Freude! Warum das Reisen in 
fremde Lande angestellt sei, das ist den meisten zwar aus den Büchern (wollte 
gern sagen, nicht) bekannt; können davon zierlich reden und prächtig sprechen; 
die meisten aber haben ihr Absehen vornehmlich dahin, wie sie ein welsches 
Kleid, welsche Gebärden, welsches Wesen, welschen Ubelstand, einen welschen 
Bart, welschen Hut, welsches Haar, welschen Uberschlag, welsches Wams, welsche 
Hosen, welsche Strümpfe, welsche Stiefel, welschen Mantel, welschen Degen, 
welsches Gehänge mit nach Haus bringen mögen; und das ärgste ist, oft 
die Franzosen gar im Herzen. Gott gebe, daß alte Tugend und Redlichkeit, 
Künste, Erfahrenheit, Weisheit, Geduld, Sittsamkeit und anderes, um deswillen 
sie hinausverschickt worden, bleiben! Das alles ist ihnen Torheit und ihren 
hohen Einbildungen viel zu geringe; die Alten in ihren Tugenden haben nichts 
verstanden, die naseweisen Herrchen wissen es alles besser an den Tag zu 
gebeen 
Ein alter Greis pudert sein Haar, will das Frauenzimmer dabei überreden, 
seine Haare wären nicht alters halben grau, sondern er hätte sich mit dem 
Cyperpuder, also Geruchs wegen, gepudert. Das aber tut er zu dem End, damit 
er noch für einen Hürnin Siegfried möchte angesehen werden.. Desgleichen tut 
auch eine alte Närrin, die noch gern einen jungen Mann hätte. Die lieben 
Jungfrauen, so noch im besten Alter sind und sich ihrer kernhaften, lieben, 
schwarzen Haare nicht zu schämen sondern zu erfreuen hätten, tun desgleichen, 
machen ihre Haare auch grau 
Über das sind noch viele unzählige Torheiten. Denn da tragen sie Hut- 
schnüren von Seide, von Gold, von Silber, von Atlas, von Daffat; dann gestickt, 
dann geschlagen, dann geflochten, dann rund, dann breit, dann viereckig, dann von 
Haaren, von Roßhaaren, von Jungfrauenhaaren (ach wie mancher monsieur ist 
mit solchen Haaren betrogen), von weiß nicht was. 
Dann Unschläge oder Üüberschläge . einer Ellen breit .. Dann Stiefel, 
dann Schuhe, dann Degen, dann Wehrgehänge, dann Sporen, dann Wams und 
Hosen, dann Hüte und Strümpfe, dann Nestel und Bänder, das sich zu ver- 
wundrren ·- 
Eure Herzen sind auch also: denn wer hat beständige unbefleckte, rechte 
deutsche Treue im Herzen? — Wenig! — 
2. Sprachenmengerei. 
Quelle: Moscherosch a. a. O. Erstes Gesicht. S. 119—121. 
So du nun ein geborener Deutscher bist, oder ja sein willst, was hast du 
denn für eine Weise und Manier zu schreiben? . . Ist euch das welsche Ge- 
wäsch mehr angelegen als die männliche Heldensprache eurer Vorfahren? .. Soche 
Sprachverketzerung ist ein Anzeichen genug der Untreue, die du deinem Vater- 
1) ihre Lust sucht.
	        
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