Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Morgen besehen wurde, hat sich's befunden, daß der Teufel sie über Nacht noch 
umgewandt und auf den Bauch gelegt habe, und hat ihr das Angesicht im Nacken 
gestanden?). 
B. Stimmen gegen die Hexenverbrennung. 
Quelle: Friedrich Spee), „Cautio criminalis, seu de processibus contra 
« sagasliber...«Rinteln1631.(Lateiniich.) 
Ülbersetzung: Soldan, Geschichte der Hexenprozesse. Stuttgart 1880. Bd. 2. S. 187. 
§s 1. Du mußt zum Eingang merken, daß bei uns Deutschen, und insonder- 
heit (dessen man sich billig schämen sollte) bei den Katholischen der Aberglaube, 
die Mißgunst, Lästern, Afterreden, Schänden, Schmähen und hinterlistiges Ohren- 
blasen unglaublich tief eingewurzelt sei, welches weder von der Obrigkeit nach 
Gebühr gestraft, noch von der Kanzel der Notdurft nach widerlegt und die Leute 
davor gewarnt und abgemahnt werden; und eben daher entsteht der erste Ver- 
dacht der Zauberei; daher kommt's, daß alle Strafen Gottes, so er in seinem 
heiligen Worte den Ungehorsamen gedrohet, von Zaubern und Hexen geschehen 
sein sollen; da muß weder Gott oder die Natur etwas mehr gelten, sondern die 
Hexen müssen alles getan haben 3). 
#§# 2. Daher erfolgt dann, daß jedermann mit Unvernunft ruft und schreit: 
die Obrigkeit soll auf die Zauberer und Hexen inquiriren (nämlich deren sie mit 
ihren Zungen so viel gemacht haben). Hierauf befiehlt die hohe Obrigkeit ihren 
Richtern und Räten, daß sie gegen diese beschreiten, lasterhaften Personen pro- 
zedieren sollen. Dieselbigen wissen nun nicht, wo und an wem sie anheben sollen, 
weil es ihnen an Anzeichen und Beweisen ermangelt .. .Inzwischen kommt der 
zweite und dritte Befehl von der Obrigkeit, daß sie fortfahren sollen... Also 
gehet dann der Herrschaft Wille vor, und macht man den Anfang des Werks 
aufs Geratewohl. " 
Spee schildert dann den Verlauf eines Prozesses und kommt zu dem Schluß: 
8 12. Es folgt demnach schließlich dieses (welches man billig mit roter 
Tinte anzeichnen sollte), daß, wenn diese Prozesse bei jetziger Zeit fortgetrieben 
werden sollten, kein Mensch, wes Geschlechts, Vermögens, Standes, Amtes und 
Würden er immer sein möge, von diesem Laster oder Verdacht desselben sicher 
sein und bleiben würde, wenn er nur so viel Feinds hat, der ihn in der Zauberei 
bezichtigen oder ihn davor schelten dürfte. Wannenhero ich, ich wende mich 
auch, wohin ich immer wolle, einen armseligen Zustand um mich her sehe, wenn 
1) Dieser sonderbaren Umstände wegen schrieb der Magistrat um eine Rechtsbelehrung 
an die Universität zu Marburg, nach welcher der tote Körper vor ein peinliches Gericht 
gebracht, hinausgeführt und öffentlich verbrannt wurde. 
:) Der Jesuit Friedrich Spee (1591—1635) hat diese „Warnungsschrift über die 
Hexenprozesse“" in der protestantischen Stadt Rinteln drucken lassen — und zwar anonym. 
Erst durch Leibnitz haben wir erfahren, daß Spee der Verfasser ist. „Dieser große Mann“, 
sagt Leibnitz, overwaltete in Franken das Amt eines Beichtvaters, als im Bambergischen 
und Würzburgischen viele Personen wegen Zauberei verurteilt und verbrannt wurden.“ — 
Wir geben hier nur einiges aus seiner Schrift wieder. 
*) In Ergänzung dieser Ausführungen Spees sei hier auf die Bulle Innozens' VIII. 
„Summis desiderantes“ (bei Mirbt, Quellen zur Gesch. des Papsttums, S. 182 f.) vom 
5. Dezember 1484 hingewiesen. 
W. u. O. Heinze-Kinghorst, Quellenlesebuch. 1. 15
	        
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