Hilfsmacht, welche schon an einem bestimmten Platze bereit stand, herangezogen
und die bei ihnen befindlichen Soldaten, welche sie sich in früherer Zeit erbaten,
getötet hatten. rückten sie auf ihn an, als er schon mitten in den Waldungen
steckte, wo kaum ein Ausgang zu finden ist. Mit einem Schlage zeigten sie da,
daß sie Feinde sein wollten, nicht Untergebene, und vollbrachten viele furchtbare
Taten.
20. Denn die Berge waren schluchtenreich und zerklüftet, die Waldungen dicht
und voll riesiger Stämme, so daß die Römer, bevor noch die Feinde sich auf sie
stürzten, Not genug hatten, sie zu fällen, Wege zu bahnen und, wo es Not tat,
Brücken zu schlagen. Auch viele Wagen und Lasttiere führten sie mit sich — es
war ja Frieden; überdies begleiteten sie nicht wenige Kinder und Weiber und
ein zahlreicher Troß, so daß sie auch deshalb schon ohne Ordnung und zerstreut
marschierten. Dazu kamen, um sie noch mehr auseinanderzubringen, Regen und
starker Wind; der Boden selbst verstattete ihnen nur unsicheren Tritt, indem man
leicht über Wurzeln und Baumstümpfe fiel; auch die Aste, welche abbrachen und
herunterstürzten, brachten sie in Unordnung. Während sich so die Römer in hilf-
loser Lage befanden, umzingelten sie plötzlich die Barbaren von allen Seiten,
immer durch das dichteste Gestrüpp, da sie ja der Fußpfade kundig waren. An-
fangs schleuderten sie von weitem Geschosse, danach aber, als sich keiner wehrte,
und viele verwundet wurden, rückten sie dicht an sie heran. Denn da die Truppen
nicht in geordnetem Zuge, sondern in buntem Gemisch zwischen Wagen und Un-
bewaffneten marschierten, konnten sie sich nicht leicht auf einem Punkte sammeln
und waren im einzelnen immer schwächer an Zahl, als die angreifenden Barbaren;
daher litten sie viel, ohne es vergelten zu können. »
21. So schlugen sie denn dort, da sie — soweit es in einem dichtbewaldeten
Gebirge überhaupt möglich war — einen passenden Platz gefunden hatten, ein
Lager auf. Die Mehrzahl der Wagen und was ihnen sonst nicht durchaus not-
wendig war, verbrannten sie oder ließen es im Stich und zogen am anderen Tage
in besserer Ordnung weiter, so daß sie wirklich an eine lichtere Stelle gelangten;
doch kamen sie nicht los, ohne Blut zu lassen. Als sie aber, von dort aufgebrochen,
wiederum in die Waldungen gerieten, wehrten sie sich zwar gegen die, welche auf
sie eindrangen, gerieten aber gerade auch dadurch in nicht geringe Not. Denn
indem sie sich auf einen engen Raum zusammendrängten, damit Fußvolk und
Reiterei zugleich mit voller Macht sich auf den Feind stürzen könnte, hatten
sie unter sich, einer von dem anderen, und alle von den Bäumen viel zu leiden.
Kaum hatten sie sich mit Tagesanbruch auf den Weg gemacht, als heftiger
Regen und starker Wind hereinbrach, der ihnen weder vorzurücken, noch festen
Juß zu fassen verstattete, ja sogar den Gebrauch der Waffen benahm. Denn
weder Bogen, noch Pfeile, noch die Wurfspeere, noch die Schilde — die ja von
Regen durchnäßt waren — konnten sie ordentlich gebrauchen. Die Feinde, die der
Mehrzahl nach leicht bewaffnet waren und ohne Bedenken angreifen oder sich
zurückziehen konnten, wie sie wollten, wurden von dergleichen Unfällen natürlich
weniger betroffen. Überdies waren sie weit stärker an Zahl, da auch von
denen, welche anfangs noch unschlüssig waren, viele schon um der Beute willen
zu ihnen stießen; deshalb konnten sie jene, deren Zahl bereits verringert war —
denn viele waren in den früheren Schlachten umgekommen — um so leichter um-
zingeln und niederhauen. Darum vollbrachten Varus und die anderen angesehensten
Männer aus Furcht, entweder gefangen zu werden oder unter den Händen er-