Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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die auf die Flügel gestellt waren, aus Furcht oder Trotz vom Posten und besetzten 
schnell die Ebene jenseit der Sümpfe; dennoch brach Arminius nicht sogleich 
hervor, obwohl nichts dem Angriff im Wege stand. Als aber das Gepäck in 
Schlamm und Gräben stecken blieb, die Soldaten ringsherum in Unordnung ge- 
raten waren, die Ordnung der Feldzeichen schwankte und jeder, wie es zu solcher 
Zeit geschieht, wo es ihn selbst galt, schnell bei der Hand, aber gegen die Befehle 
harthörig war: da heißt er die Germanen losbrechen mit dem Rufe: „Seht dal! 
Varus und die Legionen von demselben Geschicke zum zweiten Male umstrickt!“ 
So spricht er und sprengt zugleich mit einer auserwählten Schar den Zug; be- 
sonders haut er auf die Pferde ein. Diese, in ihrem eigenen Blute und auf dem 
schlüpfrigen Sumpfboden ausgleitend, werfen ihre Lenker ab, jagen auseinander, 
was ihnen entgegenkommt, zerstampfen die Gefallenen. Die meiste Anstrengung 
erforderten die Adler, da man sie weder gegen den Regen der Wurfgeschosse an- 
tragen, noch in dem schlammigen Boden befestigen konnte. Dem Cäcina ward, 
während er die Schlachtordnung zu halten sucht, das Pferd unter dem Leibe ge- 
tötet; er stürzte und wäre umzingelt worden, hätte die erste Legion sich nicht ent- 
gegengestellt. Eine Hilfe war die Habgier der Feinde, die des Mordens vergaßen, 
um Beute zu erjagen. So arbeiteten sich die Legionen, als es Abend ward, auf 
einen freien, sicheren Platz empor; doch war das nicht des Jammers Ende. Ein 
Wall wollte aufgeworfen, Dammerde herbeigeschafft sein, während die Werkzeuge, 
mit denen die Erde ausgegraben und der Rasen ausgestochen wird, zum größten 
Teil verloren waren. Keine Zelte fanden die Manipeln), keinen Verband die 
Verwundeten: als sie die Speisen, mit Schlamm oder Blut befleckt, teilten, weh- 
klagten sie über das unheilschwangere Dunkel und daß so viel tausend Menschen 
nur einen einzigen Tag noch zu leben hätten. 
66. Zufällig setzte ein Pferd, das sich losgerissen hatte und wild herumlief, 
durch das Geschrei scheu gemacht, einzelne, die ihm in den Weg kamen, in 
Schrecken. Dies erregte so große Bestürzung, daß alle, in dem Wahne, die Ger- 
manen seien hereingebrochen, auf die Tore losstürzten, unter denen sie vorzugs- 
weise das Hintertor 2) zu erreichen suchten, welches von dem Feinde ablag und zur 
Flucht größere Sicherheit bot. Cäcina, der sich überzeugt hatte, daß die Furcht 
unbegründet war, dennoch aber weder mit seinem Ansehen, noch mit Bitten, selbst 
nicht mit Gewalt den Soldaten entgegenzutreten oder sie zurückzuhalten ver- 
mochte, warf sich auf der Torschwelle nieder; erst durch Mitleid sperrte er ihnen 
den Weg, da sie über des Legaten Leib hätten forttreten müssen. Zugleich zeigten 
die Tribunen und Centurionen, wie die Angst grundlos war. 
67. Da ließ er sie im Hauptquartier zusammentreten und befahl ihnen, seine 
Worte stillschweigend zu vernehmen. Er mahnt an das, was die Zeit und ihre 
gefahrvolle Lage verlangte. Das einzige Heil beruhe in den Waffen, diese jedoch 
müsse die Klugheit regieren; man müsse innerhalb des Walles bleiben, bis die 
Feinde, in der Hoffnung ihn zu erstürmen, näher heranrückten, sodann von allen 
Seiten herausbrechen: vermittelst dieses Ausfalles werde sich der Rhein erreichen 
  
1) Der Manipel ist eine Unterabteilung der Legion, die deren 30 umfaßte. Marius 
zog je drei zu einer Kohorte zusammen. Jeder Manipel hatte zwei Centurien. 
2) Das römische Lager, wie es am Abend jedes Marschtages errichtet wurde, bildete 
ein Quadrat, die Front nach dem Feinde; in dieser Vorderseite befand sich das Haupt- 
tor (porta praetoria). Von ihm führte eine Straße zum Feldherrnzelt (praetorium) und 
zum Tor in der Rückfront (porta decumana). 
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