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Theoderichs Herrschaft in Italien.
493—526.
Quelle: Prokop, Über den Gotischen Krieg (Griechisch)#). I, 1.
Übersetzung: Dr. D. Coste, Prokop, Gotenkrieg. Leipzig 1885. (Gesch. d. d. V. 2. Ausg. Bd. 7.) S. 5 und 6.
A# die Goten unter Theoderich schon im dritten Jahr Ravenna eingeschlossen
hielten, wurden sie der Belagerung überdrüssig; andererseits litten Odoakers
Scharen bereits Mangel an den notwendigsten Lebensmitteln. Man kam daher
unter Vermittelung des Bischofs von Ravenna dahin überein, Theoderich und
Odoaker sollten in Ravenna gemeinschaftlich herrschen. Eine Zeitlang hielten sie
beide den Vertrag; dann aber bemächtigte sich Theoderich der Person Odoakers,
der ihm angeblich nach dem Leben getrachtet hatte, bei einem Schmause, zu dem
er ihn unter der Maske der Freundschaft geladen, und ließ ihn töten. Die noch
etwa übrig waren von seinen früheren Gegnern, gewann er für sich und herrschte
von nun an unangefochten über Goten und Italiker. Namen und Insignien des
Kaisers?) anzunehmen, hielt er nicht für angezeigt, sondern ließ sich zeitlebens
„König" nennen — so pflegen die Barbaren ihre Heerführer zu bezeichnen —:
in Wirklichkeit war das Verhältnis seiner Untertanen zu ihm ganz wie zu einem
Kaiser. Seine gewaltige Hand sorgte für Gerechtigkeit allerwegen und war ein
starker Schirm für Recht und Gesetz. Vor Einfällen benachbarter Barbaren be-
wahrte er sein Land; seine Weisheit und Tapferkeit waren gefürchtet und geehrt
weit in die Runde. Weder ließ er sich irgend ein Unrecht gegen seine Untertanen
zu schulden kommen, noch ließ er einem anderen derartiges durchgehen. Nur den
Teil der Landgüter, den Odoaker seinen Parteigängern zugewiesen hatte, überließ
er seinen Goten. So war Theoderich dem Namen nach ein Tyrann, in Wirlich-
keit aber ein rechter Kaiser, nicht um Haaresbreite geringer, als irgend einer von
denen, die sonst diese Würde bekleidet haben. Obgleich es dem menschlichen
Charakter zu widersprechen scheint, liebten und verehrten ihn tatsächlich Goten und
Italiker ohne jeglichen Unterschied. Nach einer Regierung von 37 Jahrens) starb
er, der Schrecken seiner Feinde, von seinen Untertanen aufs tiefste betrauert.
11.3
Der letzte Heldenkampf der Ostgoten.
553.
Quelle: Prokop a. a. O. 1V, 35.
Ülbersetzung: Coste a. a. O. S. 322—326.
In Kampanien erhebt sich der Vesuv, (der, wie der Atna in Sizilien, oft mit
Gebrüll glühende Asche auswirft. Tief unten in seinem Krater kann man das
#) Prokop von Cäsarea machte als Rechtsbeistand Belisars in dessen Gefolge den Feldzug
gegen die Vandalen mit; auch dem Zuge Belisars gegen die Ostgoten wohnte er bei. Nach
Konstantinopel zurückgekehrt, schrieb er eine bis zum Jahre 554 reichende Geschichte der
Kriege Kaiser Justinians. Hier findet sich auch die Beschreibung des Gotenkrieges. Die
Ereignisse, die er selbst miterlebt hat, sind von ihm unbedingt treu und zuverlässig geschildert.
2) Das geschah in Rücksicht auf den oströmischen Kaiser, dessen Oberhoheit Theoderich,
wenn auch nur formell, anerkannte. Sein Königtum dagegen hielt er fest in Rücksicht auf
seine Goten, die es als Symbol ihrer Nationalität betrachteten. ·
3) Ungenau; über Italien herrschte Theoderich 33 Jahre; König der Ostgoten war er seit 481.