Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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nach Hause, indem er den Mann noch vielfach beschwor, niemandem von dieser 
Sache etwas zu erzählen. Als er aber nach Hause gekommen war, suchte er die 
Gnadenbriefe, welche ihm die genannte Königin erteilt hatte, überbrachte sie dem 
Könige Chlothachar:) und meldete ihm, wie er von seinem Bischof lebendig dem 
Grabe überliefert worden sei. Alle waren außer sich vor Entsetzen und sagten, 
nimmer habe selbst ein Nero oder Herodes eine solche Schandtat vollführt, daß 
ein Mensch von ihnen lebendig in das Grab gelegt wurde. Da kam denn auch der 
Bischof Cautinus zum Könige Chlothachar; aber auf die Anklage des Priesters 
wurde er überführt und ging beschämt von dannen. Der Priester aber erhielt vom 
Könige einen Gnadenbrief, gewann für sein Eigentum jeden Schutz, den er nur 
verlangte, erhielt sich im ruhigen Besitz desselben und hinterließ es seinen Nach- 
kommen. 
In Cautinus war überhaupt keine Spur von heiliger Gesinnung, nichts 
Gutes. Von den Büchern, beides, den kirchlichen wie den weltlichen, verstand er 
gar nichts. Die Juden2) hatten ihn gern, und er selbst hing an ihnen, nicht um 
ihres Seelenheils willen, wie dies die Sorge eines guten Hirten hätte sein sollen, 
sondern weil er Kostbarkeiten von ihnen erhandelte, und für diese bezahlte er, 
wenn sie ihm schmeichelten und sich ganz offen als Speichellecker zeigten, noch 
mehr, als sie wert waren. 
17. 
Die Kriegführung der Franken. 
Um 555. 
Quelle: Agathias, Von der Herrschaft Justinians (Griechisch)s). II, 5. 
Übersetzung: Coste a. a. O. S. 359 und 360. 
Die Bewaffnung dieses Volkes ist nur ärmlich und bedarf nicht der Hände 
verschiedener Handwerker, sondern wenn etwas verdorben ist, bessern die Besitzer 
es selbst aus. Panzer und Beinschienen kennen sie gar nicht; die meisten gehen 
barhaupt einher, und nur wenige setzen für die Schlacht einen Helm auf. Brust 
und Rücken sind nackt bis an die Hüften; von da aus gehen bis zum Knie Hosen 
aus Leinen oder Leder. Nur wenige sind beritten, weil sie von alters her an den 
Kampf zu Fuß gewöhnt und darin geübt sind. Am Schenkel tragen sie das 
Schwert und an der linken Seite den Schild. Bogen, Schleuder oder andere 
Waffen zum Fernkampf tragen sie nicht, sondern nur zweischneidige Axte und die 
Angonen, die sie mit Vorliebe benutzen. Diese Angonen sind Speere von mittlerer 
Größe, zum Schleudern und zum Stoß im Nahkampf gleich geeignet. Den größten 
  
1) Gemeint ist Chlothachar I. (511—561), der jüungste Sohn Chlodowechs, der nach dem 
Tode seiner Brüder und deren Söhne auf kurze Zeit (558—561) das ganze Frankenreich 
unter sich vereinigte. 
:„) Die Juden waren damals geriebene, schachernde Händler, die aber noch nicht den 
Großhandel an sich bringen konnten, solange dieser dem Abendlande durch die Syrer ver- 
mittelt wurde. 
) Aogathias, ein oströmischer Rechtsanwalt zur Zeit Justinians, beschrieb die Er- 
eignisse von 552—558. Von den fünf Büchern seines Werkes, das sich eng an die Ar- 
beiten Prokops anschließt, interessieren uns nur die beiden ersten. Sie beschreiben die 
Kämpfe, die Narses mit den letzten Ostgoten und ihren Bundesgenossen, den Alemannen 
und Franken, zu bestehen hatte. Die Darstellung der fränkischen Kriegführung bezieht sich 
also etwa auf die Mitte des 6. Jahrhunderts.
	        
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