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Schule, werden sie alle übertroffen von dem „Quellenbuch“ von Albert Richter,
das 1885 in Leipzig erschien und jetzt in dritter Auflage (1893) vorliegt. Richter
hat den Gedanken, der Schumann und mir bereits vor 18 Jahren vorschwebte,
die ganze deutsche Geschichte mit Quellenstücken zu belegen, in breitester Bahn aus-
geführt und namentlich den Begriff der Quellen dahin erweitert, daß er außer den
Urkunden und Staatsverträgen, Chroniken und Annalen, Aktenstücken und Briefen
der Diplomaten auch das „Tagebuch eines einfachen Handwerkers, den Brief
eines schlichten Bürgers oder Landsknechts, ein Volkslied, das die Stimmung des
Volkes bei einer bestimmten Gelegenheit widerspiegelt, einen Brief an Familien-
angehörige, der von geschichtlichen Ereignissen handelt, und ähnliche Uberlieferungen“
mit Recht als Quellen für den Geschichtsunterricht heranzieht.
Mein Quellen-Lesebuch stellt sich dem Richterschen an die Seite; es wäre
überflüssig, wenn das Richtersche Quellenbuch auch vollauf für preußische Schulen
genügte oder wenn ein anderes gutes Quellenbuch für preußische Schulen vor-
handen wäre. Das „Lehr= und Lesebuch für den deutschen Geschichtsunterricht"
von R. Fritzsche und E. Haase (Halle 1892) ist wohl sehr zweckmäßig für Bürger-
und Mittelschulen, entspricht aber weitergehenden Forderungen nicht. Dasselbe gilt
von dem „Quellenlesebuch für den Geschichtsunterricht in Volks= und Mittel-
schulen“ von Adolf Rude (Langensalza, Beyer & Söhne, 1895). Mein Quellen-
Lesebuch läßt vom Dreißigjährigen Kriege an die brandenburgisch-preußische
Geschichte als Trägerin der deutschen Geschichte in den Vordergrund treten,
nachdem die ältere Zeit der brandenburgischen wie der hohenzollernschen Geschichte
gebührende Berücksichtigung gefunden hat. Die neueste Geschichte ist namentlich
ihres sozialen Gehalts wegen bis auf Kaiser Wilhelm II. fortgeführt, schließt also
nicht wie üblich mit dem Jahre 1871, der Aufrichtung des deutschen Kaisertums,
ab. Das landesväterliche Walten der Hohenzollern ist ganz besonders be-
rücksichtigt wie auch das Werden und Wachsen des Staates. Es ist nament-
lich auch dafür Sorge getragen, daß unsere Jugend Kenntnis von den
staatlichen Einrichtungen, von der Verfassung und Verwaltung Preußens
und des Deutschen Reiches erhält; in dieser Hinsicht vermittelt das Quellen-
Lesebuch zugleich die in neuester Zeit mit Recht für die Schule geforderte
Bürgerkunde oder Gesetzeskunde.
Die lateinischen, mittelhoch= und niederdeutschen sowie französischen Urkunden
und Berichte sind in Übertragungen gegeben und dabei Unebenheiten und Härten
des Ausdrucks möglichst vermieden. Die der Neuzeit entnommenen Quellenstücke
sind im Urtext eingefügt, allerdings hie und da mit Auslassungen, Zusammen-
ziehungen, Wortvertauschungen und auch Anderungen im Satzbau. Das war z. B.
bei den Urkunden aus dem 17. und 18. Jahrhundert erforderlich, die sonst in
ihrem schwülstigen Kurialstil für das Quellen-Lesebuch kaum geeignet gewesen
wären. Etliche Stücke erscheinen unverändert, um die Darstellungsweise und
Orthographie früherer Geschlechter zu veranschaulichen. In dieser formalen Be-
ziehung sind mir die deutsche Geschichte von Erler, die Bilder aus der deutschen
Vergangenheit von G. Freytag und das Quellenbuch von A. Richter Muster ge-
wesen. Uberhaupt habe ich die ganze Quellenliteratur berücksichtigt, die ältere
namentlich auf Grund der Arbeiten von Wattenbach und Lorenz; außer den
„Geschichtschreibern der deutschen Vorzeit in deutscher Bearbeitung,“ die öfter mit
den Schriften in der Ursprache in den Monumentis Germaniae Historicis ver-
glichen wurden, benutzte ich vornehmlich Giesebrecht, Waitz, Erler, Krämer,