Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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ihm, wie es bei den alten Kaisern der Brauch war, von dem Papst gehuldigt und 
er fortan mit Weglassung des Titels eines Patrizius!) Kaiser und Augustus ge— 
nannt. Wenige Tage nachher wurden auf seinen Befehl diejenigen, welche den 
Papst im vorigen Jahr abgesetzt hatten, vor Gericht geführt und nach der gegen 
sie angestellten Untersuchung nach römischem Recht als Majestätsverbrecher zum 
Tode verurteilt. Der Papst legte jedoch milden Sinnes Fürbitte für sie ein bei 
dem Kaiser, und so wurde ihnen das Leben und Sicherheit des Leibes gewährt; 
um der Größe ihres Vergehens willen aber wurden sie in die Verbannung ge— 
schickt. 
26. 
Karls des Großen Reichsregierung. 
Quelle: Allgemeine Anweisung der Königsboten (Capitulare missorum 
generale) 2). 
Übersetzung: Erler a. a. O. Bd. 2. S. 53—58. 
Über die vom Herrn Keiser abgeschickte Gesandtschaft. 
Der erhabenste und christlichste Herr, Kaiser Karl, hat die erfahrensten und 
würdigsten Männer unter seinen Großen, Erzbischöfe wie Bischöfe, ehrwürdige 
Abte und fromme Laien, auserwählt und sie durch sein ganzes Reich entsendet, 
und durch sie allen Untertanen gewährt, gemäß dem rechten Gesetz zu leben. Wo 
aber in dem Gesetze etwas nicht recht und billig angeordnet wäre, befahl er, dies 
mit größter Sorgfalt zu erforschen und ihm davon Kenntnis zu geben, weil er 
solches mit Gottes Beistand zu bessern wünschtt 
Und es sollen die Sendboten sorgfältig Untersuchung führen, wenn 
einer Klage erhebt, daß ihm von einem anderen Unrecht zugefügt worden sei, so 
wahr sie selbst des allmächtigen Gottes Huld sich zu bewahren und die dem Kaiser 
zugeschworene Treue zu halten wünschen dergestalt, daß sie jederzeit gegen alle 
und an allen Orten den heiligen Wohnungen Gottes, den Armen, Unmündigen 
und Witwen und dem ganzen Volke unverkürzt Gesetz und Gerechtigkeit gemäß 
dem Willen und der Furcht Gottes gewähren. Und wenn der Fall derart wäre, 
1) Ursprünglich führte der oströmische Exarch den Titel eines Patrizius. Papst 
Stephan übertrug ihn (ohne Berechtigung freilich) im Jahre 754 an Pippin und seine 
Söhne; damit gingen zugleich die Amtsbefugnisse der Exarchen, nämlich die Herrschaft über 
das römische Italien und der Schutz der Kirche, auf die Karolinger über. Es ist verständ- 
lich, daß dieser Titel, der doch eigentlich einen oströmischen Beamten charakterisierte, bei der 
Erlangung der Kaiserwürde fortfiel. 
2) Das Kapitulare, das im Jahre 802 zu Aachen gegeben ist, gehört zu den wich- 
tigsten Gesetzen, die Karl erlassen hat. Es enthält zunächst die gesetzliche Regelung der 
Stellung der Königsboten. Ferner führt Karl, abweichend von der germanischen Deutung, 
in diesem Gesetz, das ja kurz nach der Kaiserkrönung erschien, zum ersten Male seine 
Macht auf Gott zurück. Er fühlt sich als das Oberhaupt des irdischen Gottesstaates. Die 
Verbindung mit der alten germanischen Auffassung sucht er dadurch zu gewinnen, daß 
er die Treue, wie sie ihm (im Jahre 789), seinem Vater und fast allen Merowingern ge- 
schworen war, durch ein System von Pflichten ergänzt, deren Vernachlässigung den Tat- 
bestand der Treuverletzung ergibt und als Majestätsverbrechen aufgefaßt werden kann. 
Interessant ist es endlich, zu sehen, wie sich Karl bemüht, die altgermanische Gewohnheit 
der Blutrache und die hieraus entspringenden Streitigkeiten zwischen der Sippe des 
Geschädigten und der des Verbrechers zu beseitigen, nachdem er den für leichtere Fälle 
schon bestehenden Zwang, wonach der Verletzte und seine Sippe sich mit einer Buße be- 
gnügen mußten, gesetzlich auch auf die schweren Fälle ausdehnt.
	        
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