Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Die Agrarverhältnisse im Reiche Karls des Großen. 
812. 
Quelle: Verordnung über die Bewirtschaftung der Kammergüter 
(Capitulare de villis imperialibus):). 
Übersetzung: Erler a. a. O. Bd. 2. S. 64—68. 
1. Wir wünschen, daß unsere Landgüter, die wir zur Besorgung unserer 
Wirtschaft eingerichtet haben, nur uns allein dienen und nicht anderen Leuten; 
2. daß unser Gesinde gut unterhalten werde und durch niemand ins Elend 
gerate; 
3. daß unsere Amtleute sich nicht unterfangen, unser Gesinde zu ihrem Dienste 
zu gebrauchen, nicht zu Fronden, nicht zum Holzfällen, noch sie andere Arbeiten 
zu vollbringen zwingen; daß sie keine Geschenke von ihnen annehmen, kein Pferd, 
keinen Ochsen, keine Kuh, kein Schwein, kein Schaf, kein Ferkel, kein Lamm, noch 
sonst etwas außer Getränk, Hülsenfrüchten, Obst, Hühnern und Eien.. 
8. Es sollen unsere Amtleute unsere Weinberge übernehmen, die in ihren 
Bezirken liegen, sie gut besorgen und den Wein selbst in gute Gefäße tun und 
sorgfältig darauf achten, daß er in keinerlei Weise Schaden leide. Auch sollen sie 
von anderen Leuten Wein kaufen, um damit die königlichen Pfalzen zu ver- 
sorgen ... Von unseren Weinbergen sollen sie uns für unsere Tafel Wein senden. 
Der Wein, der von unseren Gütern als Zins gegeben wird, soll in unsere Keller 
geschict werden 
17. So viele Landgüter einer in seinem Bezirke hat, so viele Leute soll er 
dazu bestimmen, die Bienen für unsere Wirtschaft zu besorgen. 
18. In unseren Mühlen sollen sie im Verhältnis zur Größe derselben Hühner 
und Gänse halten, soviel man kann. 
19. Auf den Hauptgütern soll man bei unseren Scheuern nicht weniger als 
100 Hühner und mindestens 30 Gänse halten, auf den Hufengütern aber mindestens 
50 Hühner und nicht weniger als 12 Gänse. 
20. Jeder Amtmann soll Jahr für Jahr reichlich Federvieh und Eier an den 
Hof liefen 
24. Ein jeder Amtmann soll achthaben auf das, was er für unseren Tisch zu 
liefern hat, damit, was er abzuliefern hat, sehr gut und ausgesucht und sauber 
sei. 
28. Wir wünschen, daß jährlich in der Fastenzeit, am Palmsonntage, nach 
unserer Verordnung das Geld von unserem Wirtschaftsertrage, nachdem wir die 
Rechnungen von dem laufenden Jahre durchgesehen haben, eingezahlt werde. 
34. Es ist mit aller Sorgfalt darauf zu achten, daß, was die Leute mit ihren 
Händen verarbeiten oder verfertigen, als Speck, getrocknetes Fleisch, Wurst, ein- 
gesalzenes Fleisch, Wein, Essig, Maulbeerwein, Senf, Käse, Butter, Malz, Bier, 
Met, Honig, Wachs, Mehl, alles mit der größten Reinlichkeit hergestellt und be- 
reitet werde 
1) Karl schuf auf seinen eigenen Domänen förmliche Musterwirtschaften. Das be- 
weist das vorliegende berühmte Kapitulare aus dem Jahre 812. Die Bestimmungen 
dieser wichtigen Verordnung, die hier nur im Auszuge wiedergegeben werden kann, sind 
wohl geeignet, den Zustand der damaligen Landwirtschaft und Karls Bestrebungen auf 
diesem Gebiete darzulegen.
	        
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