Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Die Förderung des Kirchengesanges durch Karl den Großen. 
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Quelle: Fränkische Reichsannalen (Zusatz von Ademar) (Lateinisch). Zu 787. 
Übersetzung: Otto Abel und W. Wattenbach, Einhards Jahrbücher. S. 80 und 81. 
König Karl erbat sich vom Papste Adrian1) Sänger, um durch sie den Gesang 
im Frankenlande verbessern zu lassen. Aber jener überließ ihm den Theodor und 
Benedikt, die gelehrtesten Sänger der römischen Kirche, die von dem heiligen 
Gregor unterwiesen worden waren, und dazu gab er ihm die Antiphonarien des 
heiligen Gregorius, die dieser selbst in römischer Weise gesetzt hatte?2). Bei seiner 
Rückkehr aber ins Frankenland schickte er den einen Sänger in die Stadt Metz, 
den anderen nach Soissons und befahl den Schulmeistern aus allen Städten des 
Frankenlandes, ihnen die Antiphonarien zur Verbesserung zu übergeben und von 
ihnen singen zu lernen. Es wurden also die Antiphonarien der Franken ver- 
bessert, die ein jeder verdorben hatte, indem er nach Willkür dazu tat oder weg- 
ließ, und alle fränkischen Sänger erlernten die römischen Weisen, die man jetzt die 
fränkischen nennt; außer daß die Franken die tremulierenden und zarten, die ge- 
bundenen und getrennten Töne im Gesang nicht vollkommen wiedergeben konnten, 
indem sie mit ihrer natürlich rohen Stimme die Töne nicht sowohl sangen, als in 
der Kehle zerbrachen. Die Hauptsingschule aber blieb in der Stadt Metz, und wie 
hoch die römische Schule in der Kunst des Gesanges über der Metzer steht, so hoch 
steht der Metzer Gesang über den anderen gallischen Schulen. Ebenso unter- 
richteten die genannten römischen Sangmeister die fränkischen in der Kunst, die 
Orgel zu spielen. Und ein anderes Mal brachte der König Karl Lehrer der 
Grammatik und Rechenkunst aus Rom mit sich ins Frankenland und verbreitete 
das Erlernen der Wissenschaften allenthalben. Denn vor dem König Karl gab man 
sich in Gallien mit der Erlernung der freien Künste gar nicht ab. 
31. 
Karls Bemühungen um Verbreitung gelehrter Studien. 
787. 
Quelle: Brief Karls an den Abt Baugulf von Fulda aus dem Jahre 787 
(Lateinisch). 
lÜbersetzung: Erler a. a. O. Bd. 2. S. 68—70. 
Wir Karl, durch die Gnade Gottes der Franken und Langobarden König und 
der Römer Patrizius, entbieten dem Abte Baugulf und dem ganzen Orden wie 
auch unseren dir anvertrauten treuen Brüdern im Namen des allmächtigen Gottes 
unseren freundlichen Gruß. Wir tun euch frommem Manne hierdurch kund, daß 
1) Hadrian war Papst von 772—795 (vgl. Seite 43. Anm. 1). 
½) Der Lehrer der beiden Sangesmeister war wahrscheinlich Gregor III., der Heilige 
(731—741). Die Antiphonarien sind Sammlungen kirchlicher Wechselgesänge. Sie rühren. 
nach der Überlieferung von dem Papst Gregor dem Großen (( 604) her. Die Neu- 
regelung des Ritualgesanges durch diesen Papst bildet die Grundlage des katholischen 
Kirchengesanges bis auf den heutigen Tag. Unter Karl dem Großen vollzog sich die 
Übereinstimmung der gallischen mit der römischen Kirche auch in bezug auf die Ge- 
staltung des Kirchengesanges. ·
	        
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