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wir nach Beratung mit unseren Getreuen es für nützlich befunden haben, daß in
den Bistümern und Klöstern, die mit Christi Hilfe zu leiten unsere Pflicht ist,
abgesehen von der Unterweisung im klösterlichen Leben und der heiligen Religion,
jeder, der durch die Gnade Gottes zu lernen vermag, nach seiner Fähigkeit mit
den Wissenschaften sich beschäftigen soll. Denn wie frommer Wandel die Reinheit
der Sitten, so möge die Beschäftigung mit Lehren und Lernen die Rede be-
fördern und schmücken, und nicht soll, wer durch rechten Lebenswandel Gott ge-
fallen will, es versäumen, ihm auch zu gefallen durch rechte Rede
Da uns in den letzten Jahren von einigen Klöstern des öfteren Briefe zu-
gegangen sind, in denen mitgeteilt wurde, was die dort weilenden Brüder in
heiligen und frommen Gebeten für unser Heil sich mühten, haben wir die Er-
fahrung gemacht, daß in fast allen diesen Briefen die Gesinnung gut, die Form
aber wenig gebildet war, und daß das, was Frömmigkeit und Glauben im
Herzen voll Treue hegten, äußerlich wegen des vernachlässigten Unterrichts die un-
geübte Sprache ohne Fehler nicht auszudrücken vermochte.
Darum erwachte in uns die Besorgnis, es könnte, wo die Kenntnis beim
Schreiben gering war, so gering auch und noch viel geringer, als es nach Fug und
Recht sein dürfte, das Verständnis der heiligen Schriften sein. Und wir wissen ja
alle, daß, wenn schon die Irrtümer in Worten gefährlich sind, noch größere Ge-
fahren entstehen, wenn die Sinne fehlgehen. Deshalb richten wir an euch die Auf-
forderung, ihr möchtet das Studium der Missenschaften nicht nur nicht vernach-
lässigen, sondern vielmehr mit demütigem und Gott wohlgefälligem Eifer euch
darum bemühen, daß ihr leichter und besser in die Geheimnisse der göttlichen
Bücher einzudringen vermögt. Denn da in den heiligen Schriften rhetorische
Figuren, Bilder und andere diesen ähnliche Formen des Ausdrucks gefunden
werden, so kann bei keinem ein Zweifel bestehen, daß der Leser um so schneller
ihren Sinn erfaßt, je früher er in die Beschäftigung mit den Wissenschaften ein-
geführt worden ist. Hierzu aber mögen solche Männer ausgewählt werden, die den
Willen und die Fähigkeit zum Lernen und den Wunsch haben, andere zu unter-
richten. Und alles dies soll so eifrig betrieben werden, als wir es heißen. Denn
wir wünschen uns euch, so wie es für Mönche geziemt, frommen Herzens und
voll Gelehrsamkeit, keusch im Wandel und in der Rede geschult, so daß, wer im
Namen des Herrn und wegen der Trefflichkeit heiligen Wandels kommt, euch zu
sehen, nicht bloß an eurem Anblick sich erbaut, sondern auch durch eure Weisheit,
die er im Lesen und Singen erschaut, gefördert wird, dem allmächtigen Herrn
Dank sagt und fröhlichen Herzens von dannen geht.
Abschriften dieses Briefes an alle deine Mitbischöfe und alle Klöster zu senden,
mögt ihr nicht versäumen, wenn ihr unserer Huld gewärtig sein wollt.
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Karls Sorge für Hebung der Volksbildung.
789 und 813.
1. Quelle: Allgemeine Ermahnung aus dem Jahre 789 (Lateinisch).
lbersetzung: Albert Richter a, a. O. S. 45.
Die Geistlichen und Mönche sollen nicht nur die Kinder der Hörigen, sondern
auch die der Freien heranziehen und sich zugesellen. Und sie sollen Schulen ein-
richten in den einzelnen Klöstern und Bischofssitzen, in denen die Knaben Psalmen,