Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Noten, Gesänge, Kalenderkunde, Grammatik und von Fehlern gereinigte Bücher 
lesen lernen. Denn gar mancher möchte gern würdig zu Gott beten und vermag 
es doch nur mangelhaft um der viele Fehler enthaltenen Bücher willen. Duldet 
auch nicht, daß die Knaben durch das Lesen und Schreiben an Fehler gewöhnt 
werden. Muß etwa ein Evangelien-, Psalmen= oder Meßbuch abgeschrieben 
werden, so mögen dies Männer von reifem Alter mit aller Sorgfalt tun. 
2. Quelle: Verordnung der Synode zu Mainz vom Jahre 813 (Lateinisch). 
Übersetzung: Rinn und Jüngst, Kirchengeschichtliches Lesebuch. Tübingen 1906. E. 91. 
Das Symbolum und das Vaterunser muß jeder lernen; im Notfall soll er 
durch Fasten und andere Züchtigung dazu gezwungen werden. Jeder soll seine 
Söhne zur Schule schicken, entweder in ein Kloster oder außerhalb zu einem 
Priester. Wer nicht anders kann, soll Symbolum und Vaterunser wenigstens in 
seiner Landessprache lernen. » 
3.Quelle:DerMönchvonSt.Gallen(Lateinisch)1).I,3· 
Übersetzung:W.Wattenbach,NotketderStammler.5.Aufl.Lcipzi91912. 
(Gesch. d. d. V. 2. Ausg. Bd. 26.) S. 5 und 6. 
Ass der siegreiche Karl nach langer Abwesenheit nach Gallien heimkehrte, ließ 
er die Knaben vor sich kommen, welche er dem Clemens anvertraut hatte, und 
hieß sie ihre Briefe und Gedichte vorzeigen. Da brachten ihm die Knaben von 
geringerer und die von niedriger Herkunft die ihrigen über alle Erwartung mit 
jeglicher Würze der Weisheit gesüßet, die vornehmen aber wiesen ganz leere und 
unnütze Ware vor. Karl, der sehr weise Kaiser, tat nach dem Vorbilde des ewigen 
Richters; er sonderte die guten Arbeiter aus, stellte sie zu seiner Rechten und 
redete sie solcher Gestalt an: „Habt vielen Dank, meine Söhne, daß ihr meinen 
Befehl zu euerm Frommen nach Kräften auszuführen bemüht gewesen seid. Jetzt 
bestrebt euch, die Vollendung zu erreichen, dann werde ich euch gar herrliche Bis- 
tümer und Klöster geben, und ihr werdet immer hochgeehrt in meinen Augen 
sein.“ Darauf wandte er sein Angesicht mit großer Strenge zu den links stehenden, 
erschütterte ihr Gewissen mit flaummendem Blick und stieß mit furchtbarem Hohn, 
mehr donnernd als redend, diese Worte gegen sie aus: „Ihr Hochgeborenen, ihr 
Fürstensöhne, ihr zierlichen und hübschen Leutchen, die ihr traut auf eure Ab- 
kunft und euern Reichtum, meinen Befehl und euern Ruhm hintansetzend, habt 
ihr die Wissenschaften vernachlässigt und im Wohlleben mit Spiel, Nichtstun und 
leerem Treiben die Zeit verbracht.“ Und nach diesem Eingang hob er sein er- 
habenes Haupt und die nie besiegte Rechte zum Himmel und rief gleich einem 
Wetterstrahl seinen gewohnten Schwur: „Beim Herrn des Himmels! Ich gebe 
nicht viel auf euern Adel und euer hübsches Aussehen, wenn auch andere euch 
1) Schon zu Lebzeiten Karls, noch mehr aber nach seinem Tode erzählte man sich 
im Heerlager, wie im Kloster und in der Bauernstube mancherlei Züge von dem ge- 
waltigen Herrscher. In diesen Erzählungen lebte Karl fort als der deutsche Volkskönig, 
der den gemeinen Mann gegen die Vergewaltigungen der Großen schützt und übermütigen 
Bischöfen und aufgeputzten Höflingen hin und wieder recht derbe Lektionen erteilt. Einen 
Schatz von solchen sagenhaften Einzelzügen zeichnete im Jahre 883, von Karl dem Dicken 
aufgefordert, ein Mönch im Kloster St. Gallen auf. Diese Sammlung, die wahrscheinlich 
von dem Mönch Notker dem Stammler herrührt, ist uns erhalten. Sie bildet also nicht 
verbürgte Geschichte, sondern zeigt, wie Karls Bild im Volke lebte.
	        
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