Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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deshalb anstaunen mögen, und dessen seid versichert: wenn ihr nicht eiligst eure 
bisherige Nachlässigkeit durch sorgsame Anstrengung wieder gutmacht, so habt. ihr 
vom Karl nie etwas Gutes zu erwarten!“ 
33. 
Die Straßburger Eide. 
842. 
Quelle: Nithard, Vier Bücher Geschichten (Lateinisch)hti). III, 5. 
Übersetzung: J. v. J#u W. Eatte#n#achy und Ernst Müller, Nühards wier iet Vucher Geschichten. 
5. Aufl. Leipzig o. J. (Gesch. d 2. Ausg. Bd. 20.) 
Am vierzehnten Februar 842 #umen Ludwig und Karl in der Stadt, die 
früher Argentaria genannt wurde, jetzt aber Straßburg heißt, zusammen und 
schwuren die unten verzeichneten Eide, Ludwig in romanischer, Karl in deutscher 
Sprache. Und ehe sie schwuren, redete jeder das um ihn versammelte Volk, jener 
in deutscher, dieser in romanischer Sprache so an; Ludwig aber als der ältere 
begann zuerst und sprach: „Wie oft Lothar mich und diesen meinen Bruder nach 
dem Tode unseres Vaters verfolgt und bis zur Vernichtung zu verderben gesucht hat, 
wißt ihr. Da aber weder die brüderliche Liebe, noch die christliche Gesinnung, noch 
irgendein Vernunftgrund hat bewirken können, daß unter gerechten Bedingungen 
Friede unter uns herrsche, haben wir endlich notgedrungen unsere Sache dem Gerichte 
des allmächtigen Gottes anheimgestellt, um nach seiner Entscheidung mit dem zu- 
frieden zu sein, was einem jeden gebührte. In diesem Kampfe sind wir, wie ihr 
wißt, durch Gottes Barmherzigkeit Sieger geblieben; er aber ist besiegt worden 
und ist mit den Seinigen, wohin er vermochte, geflohen. Darauf haben wir, von 
brüderlicher Liebe getrieben und aus Erbarmen mit dem christlichen Volke, jene 
nicht verfolgen, noch vernichten mögen, sondern haben auch jetzt, wie schon vorher, 
verlangt, daß wenigstens von nun an einem jeden sein Recht gewährt werden 
möge. Jener aber fügt sich noch immer nicht dem göttlichen Spruch, sondern 
hört nicht auf, von neuem mich und diesen meinen Bruder mit Heeresmacht zu 
verfolgen, und richtet unser Volk durch Brand, Raub und Mord zugrunde. Des- 
halb sind wir jetzt, von der Not gedrängt, zusammengekommen, und da wir 
glauben, daß ihr an der Beständigkeit unserer Treue und an der Festigkeit unserer 
brüderlichen Gesinnung Zweifel hegt, haben wir beschlossen, vor eurem Angesicht 
diesen Eid gegenseitig zu schwören. Nicht von irgendwelcher ungerechten Begierde 
verleitet tun wir dies, sondern damit wir, wenn Gott uns mit euerm Beistand 
Ruhe gibt, des Gemeinwohls sicherer sind. Wenn ich aber, was ferne sei, den Eid, 
den ich meinem Bruder schwören werde, zu brechen mich vermessen sollte, so 
spreche ich einen jeden von euch vom Gehorsam gegen mich und dem Eide, den 
ihr mir geschworen habt, los.“ Und als Karl in gleichem Sinne in romanischer 
Sprache geredet hatte, gelobte Ludwig als der ältere zuerst, folgendes in Zukunft 
  
  
1) Nithard, ein Sohn des Hofpoeten Angilbert und Karls des Großen Tochter 
Bertha, war nicht, wie die meisten mittelalterlichen Geschichtschreiber, ein Geistlicher, 
sondern ein wackerer Kriegsheld, durch dessen besonnenes Eingreifen die große Schlacht 
bei Fontenay zugunsten der beiden jüngeren Brüder entschieden wurde. In seinem aus- 
ezeichneten Werk, das im wesentlichen die unruhige Zeit von 840—843 zum Gegenstand 
hait verficht er literarisch das Recht seines jüngsten Vetters, Karls des Kahlen, ohne indes 
unwahr zu werden. 
 
	        
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