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IV.
Aus der Zeit der drei großen deutschen
Kaiserhäuser.
34.
Heinrichs Designation und Wahl.
918 -919.
Quelle: Widukind von Korvei, Drei Bücher sächsischer Geschichten
(Lateinisch)t). II, 25.
Übersetzung: Reinhold Schottin und W. Wattenbach, Widukinds sächsische Geschichten.
4. Aufl. Leipzig o. J. (Gesch. d. d. V. 2. Ausg. Bd. 33.) S. 33—35.
25. Da König Konrad sich durch die Krankheit, sowie durch den Untergang
seines früheren Glückssternes gebrochen fühlte, rief er seinen Bruder, der ihn zu
besuchen gekommen war, und sprach zu ihm also: „Ich fühle, Bruder, daß ich
dieses Leben nicht länger erhalten kann, da es Gott nach seinem Ratschlusse so
gebeut und die Macht der Krankheit mich bezwingt. Deshalb gehe mit dir zu
Rate und sorge, was ja ganz vorzüglich deine Aufgabe ist, für das ganze Franken-
reich, indem du auf meinen Rat, den deines Bruders, achtest. Wir können,
Bruder, Truppen und Heere aufbieten und anführen, wir haben Burgen und
Waffen nebst den königlichen Insignien und alles, was die königliche Würde er-
heischt, außer Glück und Befähigung. Das Glück, mein Bruder, samt der herr-
lichsten Befähigung steht auf Heinrichs Seite; das Heil des Staates liegt in der
Sachsen Hand. Nimm also diese Insignien, die heilige Lanze, die goldenen
Spangen nebst dem Mantel, das Schwert und die Krone der alten Könige, gehe
hin zu Heinrich und mache Frieden mit ihm, damit du ihn für immer zum Ver-
bündeten haben mögest. Denn warum soll das Frankenvolk samt dir vor jenem
hinsinken? Er wird in Wahrheit ein König sein und Herrscher vieler Völker.“
Als er so gesprochen, erwiderte sein Bruder unter Tränen, er sei damit ein-
verstanden. Danach starb der König selbst, ein tapferer, mächtiger Mann, tüchtig
im Krieg wie im Frieden, freigebig und mild und mit aller Tugend Schmucke
geziert, und wurde begraben in seiner Burg Wilinaburg?) unter dem Jammer und
den Tränen aller Franken.
1) Der Mönch Widukind lebte zur Zeit Ottos des Großen im Kloster Korvei an der
Weser. lUber das Leben des trefflichen Mannes sind wir nicht unterrichtet. Er scheint mit
der kaiserlichen Familie befreundet gewesen zu sein; es wird auch vermutet, daß er der
Lehrer der Kaisertochter Mathilde, der späteren Abtissin von Quedlinburg, gewesen ist.
Ihr widmete er wenigstens seine Sachsengeschichte. Dieses Werk, das die Geschichte seines
Sachsenvolkes bis 967 umfaßte, schrieb er in den Jahren 965—967. Nach Ottos Tode
fügte er noch einen von 967—973 reichenden Anhang hinzu. Er knüpft nicht an das
römische Reich an, sondern an die Vorzeit der Sachsen. Sächsisches Stammesbewußtsein
spricht überall aus dem Werke; die Kaiserkrönung Ottos erwähnt er gar nicht. Seine
Quelle bilden in den ersten Kapiteln allerdings nur die von den heimatlichen Sängern
überlieferten Heldenlieder seines Volkes. Aber schon der Bericht über Heinrich I. im ersten
Buch ist wertvoll, und die Bedeutung wächst, je mehr er sich seiner Gegenwart nähert.
Die beiden letzten Bücher, die von den Taten Ottos erzählen, sind eine Quelle ersten
Ranges und von unschätzbarem Werte. «
2)JnWeilburgwurdenichtet,sondernseinVatetbegraben.Erselbstruhthulda.