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nächsten Dörfer, suchten und raubten, was etwa die Flüchtlinge zurückgelassen
hatten, und brannten alle Häuser aus, bei denen sie vorbeikamen
Weil man aus Erfahrung wußte, daß die Ungarn zuweilen zurückkehrten,
fällten sie in der Burg die Bäume des Waldes auf dem Zugange zum Kastell,
warfen einen tiefen Graben auf und gruben an einer Stelle, wo Binsen
wuchsen und Wasser anzeigten, einen tiefen Brunnen und fanden sehr reines
Wasser. Auch den Wein, den die Ungarn dem Heribald zugeteilt hatten, trugen
sie in Krügen und allerlei Gefäßen heimlich bei Tag und Nacht in schnellem
Laufe herzu. So hausten sie und riefen den Herrn unablässig an. Aber unser
Engilbert sah den Himmel in der Runde bei Tag und Nacht vom Feuer gerötet,
er wagte nicht mehr, Späher auszuschicken, hielt sich aber in seiner Burg mit den
Seinen fest. Nur zuweilen schickte er die Beherzten in das Kloster, dort Messe
zu lesen, und bewahrte mit Mühe seine Ruhe, bis sie zurückkehrten
Endlich hörten die Brüder, daß die Vorstadt von Konstanz niedergebrannt
war, die Stadt selbst durch Waffen verteidigt wurde, daß auch Reichenau die
Schiffe entfernt hatte und ringsum von Scharen Bewaffneter glänzte, und daß
die wilden Feinde auf beiden Ufern des Rheins alles durch Feuer und Mord
verwüstet hatten und über den Strom gesetzt waren. Da wagten sie endlich,
sicher in das Kloster zurückzukehren. Sie säuberten die Oratorien, untersuchten die
Werkstätten und luden den Bischoft) ein, baten ihn, alles mit geweihtem Wasser
zu besprengen, und entfernten so alle Gewalt des Teufels.
37.
Das Kloster St. Gallen wird durch einen Schüler der Kloster-
schule in Brand gesteckt.
937.
Quelle: Ekkehard a. a. O. VI, 66—68.
Ülbersetzung: Meyer von fKnonau, ekkehards IV. Casus Sanoti Galli. Leipzig 1891. (Gesch. d. d. B.
2. Ausg. Bd. 38.) S. 101—104.
66. Es waren die Zuchteinrichtungen der Stätte, wie immer, so auch damals,
nicht nur im Inneren des Klosters, sondern auch in den Schulen außerhalb
strenge aufrecht erhalten. Von daher haben wir auch außer den Priestern, die bei
uns oft aufgezogen sind, vielfach verschiedenen Kirchen die glänzendsten Bischöfe
gegeben ... Das jedoch will ich keineswegs gesagt haben, um der Aufgeblasenheit
der Ohren Genüge zu tun, sondern damit, indem ich die Ehre der Wissenschaft
und der Zucht unserer Stätte zum voraus erwähne, die Schäden, die wir für
die Zuchtmittel von den Schülern erduldet haben, erträglicher vernommen werden,
obschon sie unerträglich gewesen sind.
67. Es war der dem heiligen Markus jährlich wiederkehrende Feiertag
(25. April), und wie die kleinen Schüler an festlichen Tagen oft zu verdienen
pflegen?), daß sie am folgenden Tage gezüchtigt werden, so hatten sie am zweiten
Wochentage durch die Fürbitter Verzeihung oder, damit ich wahrer schreibe, Auf-
1) Es war der Bischof Noting von Konstanz.
:) Der Markustag — 25. April — fiel nach Angabe Ekkehards in jenem Unglücksjahr
auf einen Sonntag (er irrt sich allerdings; tatsächlich war der 25. April 937 ein Dienstag).
An diesem Festtage fanden in der Nachbarschaft Prozessionen statt, an denen auch die
Mönche des Klosters teilnahmen. Die Jugend blieb daher ohne ausreichende Aufsicht und
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