Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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trug eine weiße Bischofsmütze auf seinem Kopfe, auf der waren zwei Teufel ge- 
malt, und zwischen beiden stand Heresiarcha, d. h. soviel als „Erzbischof aller 
Ketzer“. Die von Konstanz führten ihn mit mehr als tausend gewappneten 
Männern hinaus, und die Fürsten und Herren waren auch gewappnet. Zwei 
Diener Herzog Ludwigs führten Hus, der eine zur Rechten, der andere zur 
Linken. Dieser war nicht gefesselt; denn sie gingen nur neben ihm und riefen 
mich, Richental, zu sich. Vor und hinter ihm gingen die Ratsknechte, und sie 
führten ihn zum Geltinger Tor hinaus. Infolge des großen Gedränges mußten 
sie einen Umweg machen, und es wurden immer mehr der gewappneten Leute, 
gegen dreitausend, ohne die Unbewaffneten und die Frauen. Auf der Brücke 
am Geltinger Tor mußte man die Menschen zurückhalten. Nur truppweise wurden 
sie über die Brücke gelassen, weil man befürchtete, daß die Brücke zusammenbräche. 
Man führte ihn auf das kleine äußere Feld in die Mitte. Während er hinaus- 
geführt wurde, betete er beständig: „Jesu Christe, fili dei vivi, miserere mei.“) 
Als er auf das äußere Feld kam und das Feuer, Holz und Stroh bemerkte, fiel 
er dreimal auf seine Knie und sprach laut: „Jesu Christe, fili dei vivi, qui 
passus es pro nobis, miserere mei.“ 1) Danach fragte man ihn, ob er beichten 
wolle. Er sprach: „Gern, obgleich es hier sehr enge ist.“ 
Es war ein Priester da, Ulrich Schorand, den rief ich, Ulrich Richental. 
Dieser ging zu Hus hin und sprach zu ihm: „Lieber Herr und Meister, wollt 
Ihr dem Unglauben und der Ketzerei, um derentwillen Ihr leiden müßt, entsagen, 
so will ich gerne Eure Beichte hören. Wollt Ihr das aber nicht tun, so wißt Ihr 
selbst wohl, daß in den geistlichen Vorschriften steht, daß man keinem Ketzer die 
Beichte hören soll.“ Da erwiderte Hus: „Es ist nicht nötig; ich bin kein Tod- 
sünder.“ Als er darauf anfangen wollte, deutsch zu predigen, wollte das Herzog 
Ludwig nicht leiden und befahl, ihn zu verbrennen. Da ergriff ihn der Henker 
und band ihn in seinem Gewand an einen Pfahl. Er stellte ihn auf einen 
Schemel, legte Holz und Stroh um ihn herum, schüttete etwas Pech hinein und 
brannte es an. Da begann er gewaltig zu schreien und war bald verbrannt. Als 
er selbst schon verbrannt war, war doch noch die Bischofsmütze ganz. Diese zer- 
stieß der Henker, und da verbrannte sie auch. Dann führte man alles, was man 
von der Asche fand, in den Rhein. 
85. 
England und die Hansa. 
1449. 1474. 
Quelle: Reimar Kock, Lübeckische Chronik (Niederdeutsch)). 
Ülbertragung: Schneider, Die Hanse. Leipzig o. J. S. 20. 
1449. Es kam eine große Flotte aus der Baye, die hatte 108 große Schiffe, 
mit Salz geladen. An diese Schiffe fuhren die Engländer heran und sagten, sie 
hätten feindliches Gut darin.). Das sollten sie herausgeben und dann fahren, 
1) Jesus Christus, du Sohn des lebendigen Gottes (der du für uns gelitten hast), 
erbarme dich meiner! 
„:) Reimar Kock war ein im 16. Jahrhundert zu Lübeck lebender Prediger. Seine 
Chronik ist zum Teil noch nicht gedruckt. 
2) England lag damals im Kriege mit Schottland und Frankreich.
	        
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