Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Volke; die Herzöge aber warteten auf. Der Herzog der Lotharinger, Isilberht, zu 
dessen Amtsgewalt jener Ort gehörte, ordnete die ganze Feier; Evurhard besorgte 
den Tisch; Herimann der Franke stand den Mundschenken vor; Arnulf sorgte für 
die ganze Ritterschaft und für die Wahl und Absteckung des Lagers Der 
König aber ehrte nach diesem einen jeden der Fürsten königlicher Freigebigkeit 
gemäß mit angemessenen Geschenken und entließ die Menge mit aller Fröhlichkeit. 
39. 
Die Flucht der Königin Adelheid. 
August 951. 
Quelle: Hrotfuitha, Gedicht vonden Taten des Kaisers Otto l. (Lateinisch)u. 
Vers 514—584. 
lbersetzung: Th. G. Pfund, Der Hrotsuitha Gedicht über Gandersheims Gründung und die Taten Kaiser 
Oddos I. 2. Aufl. von Wattenbach, Leipzig 1891. (Gesch. d. d. V. 2. Ausg. e. 32.) S. 49—51. 
Als im Gemüt sie 2) nämlich mit mancherlei Sorgen sich härmte, 
Hoffnung nirgend sich ihr auf sichere Hilfe geboten, 
Siehe, da nahte sich ihr ein heimlicher Bote, vom Bischof 
Adelhardus,#) gesandt, den jammert ihr klägliches Leiden. 
Kaum das schwere Geschick der teuren Gebieterin tragend, 
Riet er zu nehmen die Flucht in Eile mit eifriger Mahnung 
Und zu gewinnen die Stadt, mit festen Mauern gesichert, 
Welche den Hauptort bildet im Bistum, das ihm gehörte: 
Zuverlässig sei hier an sicherem Orte der Schutz ihr, 
Meldend, auch biete sich ihr ein wohlanständiger Haushalt. 
Als ihr fürstliches Ohr nun solcherlei Mahnung erreichet, 
Freute die Königin sich, die berühmte, der freundlichen Botschaft, 
Und sie begehrte, befreit vom engen Gefängnis zu werden. 
Doch nicht wußte sie Rat, wie dies zu beginnen, da keine 
Tür sich öffnete, die, wenn tiefer der Schlaf auf den Wächtern 
Lastet, in nächtlicher Stund' ihr erlaubte, von dannen zu gehen. 
Untertänig jedoch für ihre Bedienung besaß sie 
In des Kerkers Gewölben auch nicht ein einziges Wesen, 
Welches mit Eifer sich mühte, zu tun nach ihren Befehlen, 
Außer dem Mädchen allein, von welchem schon früher geredety, 
Und dem Priester des Herrn von ganz unsträflichem Wandel. 
Als sie nun diesen erzählt mit unablässigen Klagen 
Jegliches, was im Gemüt sie bedachte mit Trauer und Kummer, 
1) Die gelehrte Klosterfrau Hrotsuitha lebte in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts 
im Kloster Gandersheim. Sie schrieb dies Gedicht auf Veranlassung ihrer Abtissin Ger- 
berga II., einer Tochter des Bayernherzogs Heinrich I. Den Stoff lieferten ihr ihre 
Abtissin und deren Vetter, der Erzbischof Wilhelm von Mainz, ein natürlicher Sohn 
Ottos I. Im ersten Teil spricht sie von Heinrich I. In Vers 128 tritt Otto auf, dessen 
Regierung bis 962 verfolgt wird. Erhalten sind uns 912 Hexameter. Obwohl die Arbeit 
ein Erzeugnis sächsischer Hofgeschichtschreibung ist, hat sie doch wegen mancher Nachrichten 
Wert. Die Darstellung der Flucht Adelheids gilt als einer der gelungensten Teile. 
2) Adelheid wurde am 20. April 951 in Como gefangen genommen und später in 
Garda (am Gardasee) in strenger Haft gehalten. 
2) Bischof von Reggio (westlich von Bologna). 
4) Es wird in Vers 503 und 504 gesagt, daß der Königin eine einzige Dienerin gelassen sei.
	        
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