Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Die Ungarnschlacht auf dem Lechfelde. 
10. August 955. 
Quelle: Widukind von Korvei a. a. O. III, 44. 46—49. 
Übersetzung: Reinhold Schottin und W. Wattenbach a. a. O. S. 107—112. 
44. Als der König Sachsen um den Anfang des Juli betrat, kommen ihm 
Gesandte der Ungarn entgegen, als wollten sie ihn zur Herstellung der alten 
Treue und Freundschaft besuchen, in der Tat aber, wie einige glaubten, um den 
Erfolg des Bürgerkrieges zu erkunden. Als er dieselben einige Tage bei sich be- 
halten und, mit einigen kleinen Geschenken geehrt, in Frieden entlassen hatte, 
hörte er von den Boten seines Bruders, nämlich des Herzogs der Bayern, die 
Kunde: „Siehe, die Ungarn verbreiten sich feindlich über dein Gebiet und haben 
sich vorgenommen, einen Kampf mit dir zu wagen.“ Sobald dies der König 
hörte, brach er, als hätte er noch gar keine Anstrengungen im vorhergehenden 
Kriege auszuhalten gehabt, sogleich gegen die Feinde auf und nahm nur sehr 
wenige von den Sachsen mit sich, weil diese schon der Krieg mit den Slawen 
bedrängte. In der Mark der Stadt Augsburg schlug er sein Lager auf, und hier 
stieß zu ihm das Heer der Franken und der Bayern; auch kam Herzog Konrad 
mit zahlreicher Ritterschaft in das Lager, und durch seine Ankunft ermutigt, 
wünschten die Krieger nunmehr den Kampf nicht länger zu verschieben. Denn er 
war von Natur kühnen Mutes und, was bei kühnen Männern selten ist, tüchtig 
im Rat, im Kampfe unwiderstehlich, mochte er nun zu Roß oder zu Fuß den 
Feind angreifen, seinen Genossen in Krieg und Frieden gleich teuer. Jetzt ward 
von den Streifpartien beider Heere angezeigt, daß sie nicht weit mehr von- 
einander seien. Demnach wurde ein Fasten im Lager angesagt und allen be- 
fohlen, am folgenden Tage zum Kampfe bereit zu sein. Mit der ersten Dimmerung 
standen sie auf, gaben sich gegenseitig Frieden und gelobten sodann zuerst ihrem 
Führer, darauf ein jeder dem anderen, eidlich ihre Hilfe; dann rückten sie mit auf- 
gereckten Feldzeichen aus dem Lager, etwa acht Legionen an der Zahl. Das Heer 
wurde über steilen und schwierigen Boden geführt, damit den Feinden keine Ge- 
legenheit geboten würde, die Züge mit Pfeilen zu beunruhigen, welche sie trefflich 
zu brauchen wissen, wenn Gebüsch sie deckt. Die erste, zweite und dritte Legion 
bildeten die Bayern, an ihrer Spitze die Befehlshaber Herzog Heinrichs; denn er 
selbst war unterdessen vom Kampfplatze entfernt, weil er an einer Krankheit da- 
niederlag, woran er auch starbt). Die vierte bildeten die Franken, deren Leiter 
und Führer Herzog Konrad war. In der fünften, der stärksten, welche auch die 
königliche genannt wurde, war der Fürst selbst, umgeben von den Auserlesenen 
aus allen Tausenden der Streiter und von mutigen Jünglingen, und vor ihm 
der sieggewohnte Erzengel ), durch einen dichten Haufen gedeckt. Die sechste und 
siebente Schar machten die Schwaben aus, welche Burghard befehligte, dem der 
Bruder des Königs seine Tochter 3) zur Ehe gegeben hatte. In der achten waren 
tausend auserlesene böhmische Streiter, besser mit Rüstungen als mit Glück ver- 
1) Am 1. November 955. 
2) Das vornehmste Feldzeichen war mit dem Namen und Feldzeichen des Erzengels 
Michael geschmückt. 
) Es war Hedwig, die nachmalige Herzogin von Schwaben, die aus Scheffels 
Roman bekannte Schülerin Ekkehards II.
	        
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