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der Feinde genommen und viele Menschen getötet oder zu Gefangenen gemacht,
und das Morden währte bis in die tiefe Nacht. Am nächsten Morgen wurde das
Haupt des Slawenfürsten auf dem Felde ausgestellt und ringsumher sieben-
hundert Gefangene enthauptet; Stoinefs Ratgeber wurden die Augen ausgestochen
und die Zunge ausgerissen, so ließ man ihn mitten unter den Leichnamen hilflos
liegen. Wichmann aber und Ekberht entwichen, sich ihrer Schuld bewußt, nach
Gallien und entkamen durch die Flucht.
4.
42. Benno von Osnabrück, ein Bischof der ottonischen Ver-
fassungskirche.“)
Quelle: Norbert von Iburg, Das Leben des Bischofs Benno II.
von Osnabrück (Lateinisch). 7. 8. 9. 12.
Übersetzung: Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Erziehungswesens in Hamburg,
Quellenlesebuch zur Geschichte des deutschen Mittelalters. 2. Aufl. Leipzig 1914. Bd. 2. S. 277—282.
7. Dieser Mann besaß große geistige Begabung und hohe Willenskraft; seine
Rede war schlagfertig und gewandt, wohl geeignet, die Zuhörer für das, was er
wollte, zu gewinnen, überzeugend und eindringlich, selbst im Schelten immer von
Schmeichelworten durchsetzt, so daß er Sündern durch seine Verwarnung nicht
Selbstverachtung, sondern Liebe zur Besserung einflößte. Bei Beratung und ver-
traulichen Verhandlungen, wo es oft not tat, gegenüber treulosen und eidbrüchigen
Feinden oder in dieser und jener Angelegenheit des Reiches schlau auf der Hut zu
sein und sorgsam alles zu erwägen, zeigte er ein solches Maß von Scharfsinn und
Klugheit, daß er schon bei Beginn der Verhandlung von der erhabenen Hoch-
warte seines Geistes aus durchschaute, wo jeder mit seiner Rede hinaus wollte, und
welchen Ausgang die ganze Angelegenheit nehmen würde. In der Beharrlichkeit
seiner Treue, in der Art, wie er jedermann die Freundschaft, die er ihm gelobt
hatte, bewahrte, fand er nicht seinesgleichen; denn durch keine Verheißungen und
Bestechungen, durch keine Rücksicht auf höheren Vorteil konnte er dazu gebracht
werden, sie zu ändern oder je in irgendeiner Weise zu verletzen. . Gegen Arme,
Bedürftige und durch irgendwelche Schicksalsschläge Heimgesuchte hatte er ein
weiches Herz und grenzenloses Mitgefühl, so daß er Gefangenen und Kranken,
Hungernden und Nackten, Heimatlosen und Waisen, Witwen und Pilgern immer
nach Kräften, und soweit er nur Hilfe bringen konnte, beistand. Übeltäter aber,
1) Benno, aus einem schwäbischen Ministerialengeschlecht stammend, entfaltete unter
den salischen Königen in Speyer, Goslar und Hildesheim (als Domprobst) eine reiche
Tätigkeit. Im Jahre 1067 verlieh ihm Heinrich IV. das erledigte Bistum Osnabrück. In
der neuen Stellung bewährte er sich als ein deutscher Kirchenfürst alten Schlages. Seinem
königlichen Herrn treu ergeben, durch wissenschaftliche Bildung ebenso ausgezeichnet wie
durch einen gesunden praktischen Sinn, als Landesvater mit gleicher Sorge für die
irdische Wohlfahrt seiner Untertanen bemüht, wie als Seelenhirt für ihr himmlisches Heil,
bietet er das unverfälschte Bild eines echten, rechten Bischofs der ottonischen Verfassungs-
kirche, allerdings aus späteren Tagen und einer Zeit, wo dieser Typ schon seltener wurde.
Der Verfasser der kurz nach des Bischofs Tode entstandenen Lebensbeschreibung ist Norbert,
Abt des von Benno gegründeten Klosters Iburg bei Osnabrück. Das Werkchen ist erft
vor kurzem aus einem Wust von Fälschungen wiederhergestellt. Abweichend vom mittel-
alterlichen Brauch, will der Verfasser sich nicht „ausschließlich im Preise seines Helden
ergehen“, sondern er „legt sein Lebensbild vor ohne Beschönigung und ohne etwas zu
verschweigen.“ Aus dieser großen Wirklichkeitstreue erklärt sich der Wert des Büchleins.