Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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Hierauf entgegnete der jüngere Kuno, daß er diesem ganzen Vorschlage bei— 
stimme, und er versprach auf das bestimmteste, ihm als seinen geliebten Vetter, 
wenn man ihn zum Herrscher ausrufe, jede dem Könige gebührende Treue er- 
weisen zu wollen. Bei diesen Worten neigte sich der ältere Kuno im Angesicht 
der Volksmenge ein wenig und küßte seinen Vetter, und von diesem Kusse ent— 
nahm man zuerst, daß beide sich geeinigt hatten. Dadurch ihrer Eintracht gewiß, 
setzten sich die Fürsten zusammen, und das Volk stand in Masse dabei: 
Da nun freute sich jeder, daß jetzt die Zeit es erlaubte, 
Offen zu sagen und laut, was lange im Herzen verborgen. 
Der Mainzer Erzbischof, dessen Stimme den Vorrang vor allen übrigen hatte, 
rief, vom Volke um seine Meinung gefragt, mit überschwellendem Herzen und 
freudiger Stimme und wählte den älteren Kuno zu seinem Herrn und König, 
zum Lenker und Beschützer des Vaterlandes. Diesem Vorschlage schlossen sich die 
anderen Erzbischöfe und die übrigen Männer des geistlichen Standes ohne Be— 
denken an. Der jüngere Kuno verhandelte ein wenig mit den Lothringern; dann 
kam er sofort zurück und wählte mit größtem Eifer jenen zum Herrn und König, 
worauf der König ihm die Hand reichte und ihn neben sich Platz nehmen ließ. 
Dann wiederholten alle von den einzelnenen Teilen des Reiches immer von 
neuem denselben Wahlspruch; die Menge rief Beifall; alle waren in der Wahl des 
Königs mit den Fürsten eines Sinnes; alle verlangten den älteren Kuno . .. und 
begehrten, daß ohne Verzug die Weihe desselben stattfinde. Die vorher erwähnte 
Kaiserin Kunigunde brachte freudig die königlichen Insignien dar, welche ihr Kaiser 
Heinrich hinterlassen hatte, und bestätigte ihm die Herrschaft, soweit ihr Geschlecht 
es vermag .. Der Kölner Erzbischof freilich und der Herzog Friedrich mit einigen 
anderen Lothringern zogen des jüngeren Kuno wegen, wie das Gerücht ging, viel- 
mehr aber vom Teufel, dem Störenfried, aufgestachelt, unversöhnt von dannen; 
doch wandten sie sich bald zur Huld des Königs zurück 
3. Als die Wahl beendigt war, eilten alle mit größter Freudigkeit, den König 
nach Mainz zu geleiten, damit er dort die hochheilige Salbung empfange. Sie 
gingen frohes Sinnes, die Geistlichen sangen Hymnen; die Laien stimmten Lieder 
an, beide auf ihre Art. Solchen Preis hat meines Wissens Gott von den Menschen 
an einem Tage an einem Orte noch nicht empfangen. Wäre Karl der Große mit 
seinem Zepter leibhaftig erschienen, so wäre das Volk nicht fröhlicher gewesen, und 
es hätte sich nicht mehr über eines so großen Mannes Wiederkunft freuen können, 
als über dieses Königs erstes Auftreten. Der König kam nach Mainz; dort mit ge- 
bührender Ehre empfangen, erwartete er in Demut seine den Wünschen aller ent- 
sprechende Weihe 
Als der Gottesdienst und die königliche Weihe 1) aufs gebührlichste vollzogen 
waren, eröffnete der König den Zug. Und wie wir vom König Saul lesen, 
schritt er wie eines Hauptes länger denn alles Volk dahin, und wie umgewandelt 
zu einer Haltung, die man früher nie an ihm gesehen, und so kehrte er mit dem 
geistlichen Gefolge heiteren Angesichts in würdevollem Schritte in seine Wohnung 
zurück. Sodann wurde er an der Tafel mit königlicher Pracht empfangen und 
verlebte jenen ersten Tag seiner königlichen Herrlichkeit ganz nach Gebühr. 
1) Am 8. September.
	        
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