Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Erster Teil. Deutsche Geschichte bis 1648. (1)

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unter Augen der Männer; einige von ihnen entführten sie auch mit Gewalt auf 
ihre Burgen, mißbrauchten sie auf das schamloseste und schickten sie zuletzt 
ihren Männern mit Spott und Hohn zurück. Und wenn von ihnen einer unter 
so großen Ubeln aufzuseufzen und den inneren Schmerz der Seele auch nur durch 
eine leise Klage zu lindern und auszuhauchen wagte, so wurde er auf der Stelle, 
als ob er ein schweres Unrecht gegen den König verübt hätte, in Fesseln ge- 
worfen und konnte nicht daraus loskommen, wenn er nicht durch Zersplitterung 
seiner ganzen Habe sein Leben und seine Rettung erkaufte. Und da nun deshalb 
täglich von allen Orten ganze Scharen die königliche Majestät anriefen, welche 
vorher für alle Bedrängten die einzige Zuflucht zu sein pflegte, so wurden sie mit 
schwerer Schmach zurückgewiesen, und der König sagte ihnen, daß dieses alles für 
die ungerechte Verweigerung der Zehnten über sie erginge und daß er, gleichsam 
als Rächer der Sache Gottes, genötigt sei, diejenigen mit bewaffneter Hand im 
Zaume zu halten, welche sich den Kirchengesetzen nicht freiwillig fügen wollten. 
45. 
Gregors VII. Auffassung vom Papsttum. 
Um 10 75. 
Quelle: Das sogenannte Programm Gregors VII. („Dietatus papae“). 
— Register Gregors VII. (Lateinisch)1). II, 35a. — 
Übersetzung: Erler a. a. O. Bd. 2. S. 448 und 449. 
Über die Gewalt der römischen Päpste. 
Die römische Kirche ist von dem Herrn allein gegründet worden. 
Nur der römische Bischof allein kann der allgemeine Bischof genannt werden. 
Nur jener allein kann Bischöfe absetzen oder Gebannte wieder in die Ge- 
meinschaft der Kirche aufnehmen. 
Sein Gesandter soll allen Bischöfen auf dem Konzile vorsitzen, auch wenn er 
geringeren Ranges ist, und er kann über sie das Urteil der Absetzung aussprechen. 
Auch Abwesende vermag der Papst abzusetzen. 
Mit denen, welche er in den Bann getan hat, soll man unter anderem nicht 
in demselben Hause weilen. . 
Ihm allein ist es gestattet, wenn es die Zeit erfordert, neue Gesetze zu 
geben, neue Gemeinden zu bilden, aus einem Chorherrnstift eine Abtei zu 
machen?) und andererseits ein reiches Bistum zu teilen und arme Bistümer zu- 
sammenzulegen. 
1) Im Jahre 1081 wurde von Gregor VII. selbst oder auf seine Veranlassung eine 
Sammlung der wichtigsten Briefe und Erlasse des Papstes veranstaltet. Dieses mehr als 
350 Nummern umfassende Register sollte seinen Anhängern die Grundsätze seiner Politik 
darlegen; es ist die wertvollste Quelle seiner Geschichte. In diesem Sammelwerk findet 
sich auch der sogenannte Dictatus papae; es sind 27 kurze, zum Teil wörtlich den 
pseudoisidorischen Dekretalen entlehnte Sätze, die gewissermaßen das Programm, die 
Leitlinien, seiner Politik enthalten. 
:) Der Bischof Chrodeganz von Metz (1#760) übertrug die von Benedikt von Nursia 
üfr die Mönche festgesetzte Ordnung und Lebensweise auch auf die Weltgeistlichen und 
nötigte sie, in einem Hause zu wohnen. Die so gebildeten Chorherrenstifter lösten sich im 
11. Jahrhundert vielfach auf, indem ein Teil der Mitglieder eigene Wohnungen bezog. 
Der Rest bildete eine neue Art Mönche, ihr Stift ein Kloster.
	        
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