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Die Absetzung Gregors VII. und die Bannung Heinrichs IV.
1076.
Quelle: Bruno, Buch vom Sachsenkriege (Lateinisch)!). Kap. 67. 68. 70.
Übersetzung: W. Wattenbach, Brunos Buch vom Sächsischen Kriege. 2. Aufl. Leipzig 1888.
(Gesch d. d. B. 2. Ausg. Bd. 45.) S. 77—79, 81 u. 82.
67. „Heinrich 2), nicht durch Gewalt, sondern durch Gottes weise Verordnung
König, an Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch.]
Solchen Gruß hast Du zu Deiner Beschimpfung verdient, der Du keinen
Stand in der Kirche verschont, sondern alle der Schmach anstatt der Ehre, des
Fluches anstatt des Segens teilhaftig gemacht hast. Denn um von vielem nur
weniges und das bedeutendste anzuführen, die Vorsteher der heiligen Kirche, näm-
lich die Erzbischöfe, Bischöfe, Priester, die Gesalbten des Herrn, hast Du Dich nicht
allein nicht gescheut anzutasten, sondern wie Knechte, die nicht wissen, was ihr
Herr tut, hast Du sie mit Füßen getreten, und durch ihre Beschimpfung hast Du
Dir Dein Lob im Munde des Volkes bereitet: sie alle, wähntest Du, verständen
nichts, Du aber allein wissest alles 3). Diese Wissenschaft aber hast Du nicht zur
Erbauung, sondern zur Zerstörung anzuwenden getrachtet, so daß wir mit Recht
glauben, der heilige Gregorius, dessen Namen Du Dir angemaßt hast, habe in
prophetischem Sinne Deiner gedacht, da er spricht: „Durch den Reichtum an
Untergebenen wird in der Regel der Sinn des Vorgesetzten zum Hochmut ver-
leitet, und wenn er sieht, daß er mehr als alle übrigen vermag, so wähnt er auch
größere Einsicht als alle zu besitzen"“). Und dieses alles haben wir geduldet, weil
wir die Ehre des apostolischen Stuhles zu wahren suchten. Du aber hieltest unsere
Demut für Furcht und scheutest Dich deshalb nicht, auch gegen die königliche Ge-
walt selber, die Gott uns verliehen hat, Dich zu erheben und hast gewagt, die
Drohung auszustoßen, daß Du sie uns nehmen wolltest, gleich als ob wir das
Reich von Dir empfangen hätten, als ob die Königs= oder Kaiserkrone in Deiner
und nicht in Gottes Hand wäre, in der Hand unseres Herrn Jesu Christi, der uns
zur Herrschaft, Dich aber nicht zum Priestertume berufen hat. Denn auf solchen
1) Bruno, ein Sachse von Geburt und Geistlicher in Magdeburg und Merseburg, war
ein blindwütender sächsischer Parteigänger und ein Todfeind Heinrichs, gegen den er die
ungeheuerlichsten Verdächtigungen erbringt. Das Mittelalter hat kaum ein zweites Buch
hervorgebracht, das so voll von Üübertreibungen und Entstellungen ist, wie diese Dar-
stellung des Sachsenkrieges. Wert hat das Buch insofern, als es die Stimmung charakterisiert,
die damals bei den Sachsen herrschte und der Verfasser ihm eine Reihe recht wertvoller
Aktenstücke eingefügt hat.
2) Der Beschluß der Absetzung Gregors wurde am 24. Januar 1076 auf der Synode
zu Worms gefaßt. Ob der vorliegende Brief schon damals, oder erst auf der Synode
zu Utrecht am 27. März 1076, also nach der Bannung fertiggestellt ist, darüber gehen
die Meinungen der Forscher auseinander. Es ist noch ein anderer kürzerer Brief von
etwa gleichem Inhalt, aber wesentlich milderer Form vorhanden. Dieser soll nach der
Meinung einiger Forscher dem Papst im Februar 1076 zugesandt sein, die schärfere
Fassung wäre dann eine Antwort auf den Bann. Von anderer Seite wird dagegen unser
Schreiben für das dem Papst überreichte Original gehalten, während hier der kürzere
Brief nur als eine für die öffentliche Bekanntmachung bestimmte Bearbeitung gilt.
2) Gregor hatte das Volk rücksichtslos gegen die dem Verbot der Priesterehe wider-
strebenden Geistlichen aufgehetzt und dadurch die ganze Kirche mit inneren Kämpfen
erfüllt.
4) Nach Papst Gregors des Großen (590—604) Pastorale II, 6.
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