Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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alten dreieckigen Montierungshut auf, dessen hintere gerade Krempe hatte er vorn 
gesetzt und die Schnüre losgemacht, so daß diese Krempe vorn herunterhing und 
ihn vor der Sonne schützte. Die Hutschnüre waren losgerissen und tanzten auf der 
heruntergelassenen Krempe umher, die weiße Generalsfeder im Hute war zer— 
rissen und schmutzig; die einfache blaue Montierung mit roten Aufschlägen, Kragen 
und goldenem Achselband alt und bestaubt, die gelbe Weste voll Tabak; — dazu 
hatte er schwarze Samthosen an. Ich dachte immer, er würde mich anreden. Ich 
fürchtete mich gar nicht, hatte aber ein unbeschreibliches Gefühl von Ehrfurcht. Er 
tat es aber nicht, sondern sah immer gerade aus. Die alte Frau konnte mich nicht 
lange hoch halten und setzte mich immer wieder herunter. Da sah der König den 
Prediger, winkte ihn heran und fragte, wessen Kind das sei? „Des Herrn von 
Marwitz in Friedersdorf.“ — „Ist das der General?“ „Nein, der Kammerherr.“ — 
Der König schwieg, denn er konnte die Kammerherren nicht leiden, die er wie 
Müßiggänger betrachtete. Die Umspannung war geschehen, fort ging es. Die 
Bauern sprachen den ganzen Tag vom König, wie er dies und jenes in Ordnung 
bringen und allen denen den Kopf waschen würde, die ihnen unangenehm 
waren. Es zeigte sich später, daß alle Prediger die Gewohnheit hatten, dem 
Kutscher Pfund 10 Taler zu schenken, wenn der König bei ihnen übernachtete; 
auch der Vorfahr in Dolgelin hatte es getan, der neue Prediger aber, der davon 
nichts wußte, hatte ihm im vorigen Jahre nichts gegeben, — weswegen der Kerl 
denn schon den ganzen Tag so vorwärts getrieben hatte, daß er noch vor Sonnen- 
untergang Dolgelin passierte und sich zehn Taler in Müncheberg vom Bürger- 
meister Kramer erwarb. 
Das zweite Mal sah ich den König in Berlin während des Karnevals 1785. 
Ich ging mit meinem Hofmeister zu meiner Cousine, die Hofdame bei der Prin- 
zessin Heinrich war, also in das Prinz Heinrichsche Palais, die jetzige Universität, 
wo sie im dritten Stock nach dem Garten hinaus wohnte. Als wir die große 
Treppe hinaufstiegen, kam ein kleiner alter Mann mit starren Augen bei uns 
vorbeigerannt und sprang in Bogensätzen die Treppe herab. Mein Hofmeister 
rief ganz verwundert: Das war der Prinz Heinrich! Wir traten nun ins 
Fenster des ersten Stockwerks und schauten aus, was den Prinzen zu solchen 
Bogensätzen bewegen könne? Und siehe, da kam der König gefahren, um ihn zu 
besuchen. 
Friedrich der Zweite fuhr in Potsdam niemals, außer, wenn er verreiste, 
sondern ritt beständig. Er schien jenes für eine Schmach und eines Soldaten un- 
würdig zu halten; denn wie er den letzten Herbst seines Lebens (eben 1785) so 
krank in dem luftigen Sanssouci war (wo keine Ofen, sondern nur Kamine sind), 
daß er das Schloß in Potsdam beziehen sollte, so konnte er sich nicht entschließen, 
hineinzufahren, sondern hoffte von einem Tage zum anderen auf soviel Besserung, 
daß er hineinreiten könnte. Da diese aber nicht erfolgte, und es immer kälter 
wurde, so entsch'oß er sich endlich, sich bei Nacht und Nebel, damit niemand es 
merken sollte, hineintragen zu lassen. — Auch während der Revue in Berlin oder 
Charlottenburg ritt er beständig, aber während des Karnevals in Berlin, wo er sich 
vier Wochen aufhielt, fuhr er und zwar immer im könig'ichen Pomp. 
Voran gingen acht Läufer mit Stäben, Federmützen und Läuferschürzen in 
zwei G'iedern. Da diese aber sonst gar nicht gebraucht wurden, so war es ein 
Versorgungsposten für Invaliden aus der Garde. Daraus folgte, daß der König 
auch immer im langsamen Schritt fahren mußte. Seine Wege waren aber keine
	        
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