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widerrufen habe und selbst in der Härte seiner Forderungen noch weiter gegangen
sei, als er es vor der Zusammenkunft mit ihr getan hatte. Man sagte, Herr von
Talleyrand sei schuld daran. Napoleon kam nicht zur Königin, obgleich er zweimal
an ihrem Hause vorüberfuhr und wir jedesmal umsonst hinuntergehen mußten, in
der Erwartung, er werde aussteigen. Später kam der General Barbier, der die
Königin zum Diner einlud. Wir fuhren sogleich hin, und Barbier begleitete die
Königin. Napoleon sah verlegen und zugleich tückisch und boshaft aus . . . Die
Unterhaltung war allgemein sehr gezwungen und einsilbig. Nach Tisch sprach die
Königin noch einmal allein mit Napoleon; beim Fortgehen sagte sie ihm, sie
werde abreisen und empfinde es tief, daß er sie getäuscht habe. — Meine arme
Königin, sie ist ganz in Verzweiflung!
29. Juli. Die Majestäten waren dreimal während des heutigen Tages bei mir.
Abends blieb der König noch lange allein da, als die Königin fort war. Ach, wie
traurig ist er, wie gebeugt! Wenn er sich einmal vertraulich ausspricht, so geht es
einem durchs Herz, und ich konnte ihm nur mit heißen Tränen zuhöen
11. September. Die Königin ist schrecklich unglücklich, daß an allen Orten,
wo der Konvention zufolge die Franzosen abmarschieren sollen, sie fort und fort
bleiben und die armen Einwohner vollends an den Bettelstab bringen. Die
Herrschaften sind beide recht leidend; all dieser Kummer muß ihre Kräfte er-
schöpfen. Wie sollen sie dies Maß von Leiden ertragen! — Die arme Königin
weint zu viel!
11. November. Ich erhielt das Verzeichnis von allem, was die Franzosen
teils offiziell aus Berlin nach Paris fortgeschafft, teils einfach geraubt haben, ebenso
aus den königlichen Schlössern, wie aus Potsdam; meistens Statuen, Bilder, Por-
zellan, Vasen, Kostbarkeiten und Kunstwerke aller Art. Es ist eine unglaubliche Liste.
1. April 1808. Von heute an hört der Tisch der Offiziere bei uns auf; ich
ging heute noch zu ihnen hinein, um Abschied zu nehmen; es tat mir weh. Leider
werden von Tag zu Tag mehr Einschränkungen im königlichen Haushalte not-
wendig; auch ich verzichte auf einen Teil meines Gehaltee
3. April. Alle die armen Offiziere, die hier durchkommen, sind auf halben
Sold gesetzt, und es gibt viele, die auch nicht das allergeringste von Sold mehr
nehmen. Man weiß, daß manche dieser treuen armen Offiziere Holz hauen, um
ihr Brot zu verdienen, andere bei den Bauern in der Wirtschaft und auf dem
Felde arbeiten, nur, um leben zu können. Ist das nicht ein grausam hartes
Geschick? —
94.
Das politische Glaubensbekenntnis der Königin Luise.
1808.
Quelle: Ein Brief der Königin Luise an ihren Vater aus dem Frühjahr
1808.
Fundort: A. Kluckhohn, Luise, Königin von Preußen. Berlin 1876. S. 46—48.
Bester Vater!
Mit uns ist es aus, wenn auch nicht für immer, doch für jetzt! Für mein
Leben hoffe ich nichts mehr. Ich habe mich ergeben, und in dieser Ergebung, in
dieser Fügung des Himmels bin ich jetzt ruhig und in solcher Ruhe, wenn auch
nicht irdisch glücklich, doch, was mehr sagen will, geistig glückselig.