Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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131. 
Blüchers Rheinübergang. 
1. Januar 1814. 
1. Quelle: K. von Raumer, Erinnerungen aus den Jahren 1813 und 18141). 
Stuttgart 1850, neu herausgegeben von K. Linnebach. S. 59—60. 
Am letzten Tage des großen Jahres 1813 ritt das Blüchersche Haupt- 
quartier von Wiesbaden das Gebirge hinan, ein weißer Nebel bedeckte das Rhein- 
tal. Wir kamen nach Schlangenbad, von da führte der Weg über wüstes, winter- 
liches Schiefergebirge. Abends erreichten wir den Engpaß, welcher von Weisel nach 
Kaub hinunterführt. Wäre das tiefe Geheimnis der Punkte, an denen die Ver- 
bündeten über den Rhein gehen wollten, nicht aufs treueste bewahrt worden, so 
hätten uns die Franzosen vom linken Rheinufer aus mit wenigen Kanonen beim 
Herabsteigen nach Kaub zusammenschmettern können. 
Nie werde ich die Neujahrsnacht in Kaub vergessen. 
Wir gingen an den Rhein. Seit 1802 hatte ich den herrlichen Strom oft be- 
sucht, seit dem Jahre, wo Friedrich Schlegel jene Klage dichtete, die mit den 
Worten beginnt: 
Du freundlich-ernste starke Woge, 
Vaterland am lieben Rheine, 
Sieh, die Tränen muß ich weinen, 
Weil das alles nun verloren. 
Wie oft habe ich mit schwerem Herzen diese Worte der Klage mir wieder- 
holt! Zuletzt noch, als ich im Jahre 1809 zurück von Paris nach Köln kam, 
damals, als Osterreich unterlag, Schill gefallen war und die letzte Hoffnung 
Deutschlands zu schwinden schien. 
Wie hatte sich aber jetzt in Zeit eines Jahres die Welt verwandelt! Dem 
langen, tiefsten Schmerz war eine unermeßliche Freude gefolgt, es war uns wie 
den Träumenden; doch die blutigen Freiheitsschlachten waren wahrlich kein Traum. 
Hier standen wir an der von Napoleon gezogenen Grenze Deutschlands. 
Eine Anzahl befreundeter Kampfgenossen traf in Kaub zusammen. Wir saßen 
beim Rheinwein, während in der kalten, sternhellen Nacht die Pontonbrücke ge- 
schlagen ward. Unsere Gespräche wandten sich bald zur Vergangenheit, zu den 
qualvollen sieben Jahren, die wir seit der Schlacht bei Jena unter Napoleon in 
grimmiger Trauer zugebracht hatten, und zu den großen Ereignissen des letzten 
Jahres; jeder erzählte, was er erlebt hatte. Dann aber richteten wir froh die 
Augen in die Zukunft. Alle waren des festen Glaubens, daß wir Paris erobern 
würden, und zwar in nicht gar langer Zeit; unter der Führung Blüchers, Gneise- 
naus und Vorscks werde es im Sturmschritt vorwärts gehen. 
Unter solchen Gesprächen blieben wir zusammen bis nach Mitternacht, da 
200 Füsiliere, von Graf Brandenburg geführt, in möglichster Stille über den 
Rhein setzten. Aber beim Landen begrüßten sie das linke Rheinufer mit Hurra— 
geschrei. Wir hofften, am Neujahrstage 1814 alle den Strom zu überschreiten. 
Die Pontonbrücke ging vom rechten Ufer zunächst nach der Rheininsel, auf der die 
alte wunderliche Pfalz steht: von der Insel war eine zweite Brücke hinüber auf 
1) v. Raumer hat den Feldzug im Hauptquartier Blüchers mitgemacht.
	        
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