Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Ludwig XIV. raubt Kolmar und Straßburg. 
1673 und 1681. 
Quelle: Tagebuchaufzeichnungen des Kolmarer Schuhmachermeisters 
Tauberer). 
Übertragung: Albert Richter, Quellenbuch, 8. Aufl. Leipzig 1916. S. 209—211. 
Anno 1673 den 18. August ist die Stadt Kolmar:) von dem Könige in Frank- 
reich, der unser Schutzherr sein sollte, überlistet worden. Erstlich vor der Ernte 
sind an die fünfhundert Reiter auf den Abend über die lange Brücke herüber- 
gekommen. Sie haben von den Viehherden Ochsen, Kühe, Schafe und alles, was 
sie haben bekommen können, umgebracht und gemetzigt und hatten ihr Lager bei 
der langen Brücke auf der Matten. Sie haben gebraten und gesotten und haben 
die Ziegelbrennereien geplündert, Wein und Branntwein genommen und alles, 
was sie haben bekommen können. Sie sind etliche Wochen dort gelegen und haben 
sich nicht für Feinde erklärt sondern als Freunde. Das sind aber böse Freunde, die 
einem das Seine nehmen. Man hat keinen einzigen Schuß gegen sie getan, und 
hat die Bürgerschaft stark müssen wachen. Man hat ihnen gegeben, was sie ge- 
wollt haben um Geld, bis sie wieder hinweg sind gezogen. 
Zum andernmal, als sie wieder gekommen sind, dieselben Reiter, sind sie vor 
die drei Tore der Stadt gelegen und haben die Schildwachen davor gehalten. Ihr 
Lager haben sie wieder bei der langen Brücke gehabt. Sie sind wieder in der 
Stadt ein= und ausgegangen, und man hat ihnen wieder gegeben, was sie ge- 
wollt haben. Sie haben sich auch wieder für Freunde erklärt, aber es sind uns 
böse Freunde geworden. Sie sind da gelegen, bis die ganze Macht zusammen- 
gekommen ist, und haben allerlei List gebraucht. Erstlich haben sie gesagt, der 
König wäre in das Land gekommen, er hätte Breisach besehen und begehre, auch 
einen Einzug in die Stadt Kolmar zu halten. An die Herren der Stadt aber be- 
gehre er, sie sollten die großen Stücke von den Wällen abführen. Man hat es 
getan. Danach begehrte der Oberste, man solle auch die anderen Stücke zurück- 
ziehen, der König begehre, nicht ein Stück zu sehen, und es solle auch kein Schuß 
getan werden. Man hat alles getan, weil der König unser Schutzherr hat sein 
sollen. Man hat auch müssen aus allen Orten Hafer, Heu und Stroh nach Türk- 
heim bringen. Dort, so hieß es, müsse die meiste Reiterei warten, bis der König 
wieder zurückkomme; aber es ist auf ein anderes angestellt worden; hätten wir uns 
gewehrt, so hätten sie keine Fourage gehabt. 
Nun ist die Nachricht gekommen, der König wäre angekommen. Der erste 
Marsch kam an. Unsere Herrens) fuhren hinaus, und ist kein einziges Tor zu- 
gemacht worden. Mittlerweile rückte die Reiterei in die Stadt und hat die Wachen 
1) Tauberers Aufzeichnungen, die auch von seiner Verheiratung, von der Geburt und 
Erziehung seiner Kinder erzählen, geben in ihrer schlichten und unbeholfenen Darstellungs- 
weise beredte Zeugnisse des damaligen jammervollen Zustandes des deutschen Reiches. 
2) Kolmar gehörte zu den zehn im Elsaß gelegenen Reichsstädten, über die im West- 
sälischen Frieden dem Könige von Frankreich die Landvogtei übertragen war. In welcher 
Weise Ludwig XIV. sich dieser Städte und später Straßburgs bemächtigte, erzählt das 
Tagebuch Tauberers. 
à2) Die Ratsherren. 
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