Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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selbst bestellt. Die Stadtsoldaten und Bürger haben müssen abziehen, und die 
Franzosen haben vorgewendet, der König wünsche, wenn er einziehe, daß nicht 
Bürger und Stadtsoldaten an den Toren seien, bis er wieder hinausziehe. Aber 
es war alles falsch gemeint. Wir haben's, Gott erbarm, wohl erfahren. 
Den anderen Tag ist die ganze Macht hereingezogen, auch des Königs Leib- 
garde, aber der König ist nicht hereingekommen; er ist bei der Stadt vorüber ge- 
zogen auf Breisach. Und es sind auf die neuntausend den anderen Tag zu Fuß 
und zu Pferd hereingezogen, mit ihnen vier große Stück, Kugeln und Pulver und 
Schaufeln und allerhand Sachen und viel Minierer; und hat der geringste Bürger 
bis zu sieben in das Haus bekommen und haben ihnen müssen Essen und Trinken 
geben. Den dritten Tag, nachdem sie hereingekommen, haben die ganze Bürger- 
schaft, Stadtsoldaten, Hintersassen und Ledige alles Gewehr müssen auf den Wag- 
keller tragen. Danach sind die Franzosen über alles Meister gewesen und haben 
angefangen, das Zeughaus zu plündern, und haben alles hinweggeführt für viel 
tausend Gulden Wert, und haben die Wälle angefangen zu schleifen und die 
Ringmauern und alle Türme niederzureißen. Und an die hundert Minierer haben 
die Mauern unter den Wällen miniert und gesprengt und alles zerstört. Und ist 
alles offen gemacht worden, daß ein jeder aus und ein hat können lommen wie 
in einem Dorfe. 
Und haben die Bürger den ganzen Winter die Soldaten erhalten müssen, 
und haben diese allen Vorrat helfen aufessen und trinken, also daß es viele arme 
Leute hat gegeben. Und im Sommer haben wir viele Durchzüge gehabt. 
Aus dem Jahre 1681 erzählt Matthias Tauberer folgendes: 
Anno 1681 den 21. September ist königliche Majestät in Frankreich zum ersten 
Male samt seiner Gemahlin und seinem Sohne, dem Dauphin, und samt seinen 
Generalen und vielen vornehmen Herren und Frauenzimmern mit vielen Kutschen 
und vornehmer Reiterei hereingekommen in Kolmar. Es ist sein Reisemarsch aus 
Frankreich gewesen, seine Städte zu besuchen, die er bekommen hat. Zum ersten 
auf Schlettstadt, ist über Nacht da geblieben. Von Schlettstadt auf Breisach, von 
Breisach auf Freiburg, von Freiburg auf Ensisheim, von Ensisheim nach Hüningen, 
danach wieder auf Ensisheim und von Ensisheim hier auf Kolmar. Und ist über 
Nacht geblieben auf dem Wagkeller samt seinen vornehmen Begleitern. Und sind 
dazumal zwei Regimenter zu Fuß hier gelegen, aber sie waren bald nach dem 
König hinweg. 
Von Kolmar ist der König auf Straßburg gezogen und hat sich samt seinen 
vornehmen Leuten etliche Tage in Straßburg aufgehalten, daß er alles hat 
können besehen. Die Stadt Straßburg hat sich schlecht gehalten, der König in 
Frankreich hat nicht einen Mann davor verloren, sie haben nicht einen Schuß 
getan, ist ihnen ein großer Spott im ganzen römischen Reiche. Man hat ihnen 
auch viel Stück genommen und das Gewehr von den Bürgern, und sind 
viele französische Soldaten darein gelegt worden. Von Straßburg ist der König 
samt seinen vornehmen Leuten wiederum in Frankreich gereist. Man hat lier 
etlichemal gejagt, und ist nach Straßburg etlichemal Wildbret geschickt worden 
dem General, der in der Stadt gelegen ist. Die guten Straßburger haben's 
nicht gemeint, daß es ihnen so werde gehen; es heißt wohl im Sprichwort: 
Trau, schau, wem?
	        
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