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Etwas Bemerkenswerteres und was die Fortschritte des menschlichen Geistes weit
mehr betrifft, war die Gründung der Königlichen Akademie der Wissenschaften im
Jahr 1700. Die Königin Sophie Charlotte trug das meiste dazu bei. Diese Fürstin
hatte den Geist eines großen Mannes und die Kenntnisse eines Gelehrten; sie
hielt es nicht einer Königin für unwürdig, einen Philosophen hochzuachten. Es
ist bekannt, daß dieser Philosoph Leibniz war; und da die, denen der Himmel be—
vorzugte Seelen verliehen hat, sich auf die Stufe der Fürsten erheben, würdigte
sie Leibniz ihres Umganges. Sie tat noch mehr: sie sch'ug ihn als allein fähig
vor, diese neue Akademie zu gründen. Leibniz, der sozusagen mehr als eine Seele
hatte, war wohl würdig, einer Akademie vorzustehen, die er nötigenfalls ganz
allein vertreten haben würde. Er richtete vier Klassen ein: eine für Physik und
Medizin, die andere für Mathematik, die dritte für deutsche Sprache und Alter—
tumskunde und die vierte für orientalische Sprachen und Altertumskunde
Die Universitäten gediehen in dieser Zeit. Halle und Frankfurt hatten gelehrte
Professoren: Thomasius, Gundling, Ludewig, Wolff und Stryke waren Männer
ersten Ranges und hatten zahlreiche Schüler. Wolff er 'äuterte das fein durch-
dachte System Leibnizens über die Monaden. Über die Monaden sind die
Metaphysiker und Mathematiker Deutschlands in Streit geraten, und sie streiten
jetzt noch über die Teilbarkeit der Materie.
Nachdem Friedrich erwähnt hat, daß diese Zeit keinen guten Historiker hervorgebracht
hat, fährt er fort:
Bei diesem Mangel eines guten Prosawerkes hatte Brandenburg einen guten
Dichter; es war der Herr von Canitz. Er lieferte eine wohlgelungene übersetzung
mehrerer Briefe Boileaus; er ahmte Horaz nach und schrieb einige durchaus eigen-
artige Werke. Er ist der Pope Deutschlands, er ist der geschmackvollste, der sorg-
fältigste und am wenigsten weitschweifige Dichter, der Verse in unserer Sprache
gemacht hat . . . .. Herr von Canitz hielt nicht, obgleich er einem berühmten Hause
angehörte, die Ausübung der Dichtung für standeswidrig; er pflegte sie, wie bereits
erwähnt wurde, mit Erfolg. Er bekleidete ein Hofamt und schöpfte aus dem
Sprachgebrauche der guten Gesellschaft die Feinheit und Anmut, die an seinem
Stil gefällt. «
45.
Harte Leibeigenschaft des Bauernstandes zur Zeit König Friedrichs I.
Quelle: Bericht von Lubens an Friedrich I. über den Zustand des Landes.
Kleve, 14. Okt. 1710.
Fundort: Stadelmann, Friedrich Wilhelm I. in seiner Tätigkeit für die Lonresultur Breußens in
„Publikationen aus den Preußischen Staatsorchiven". Leipzig 1878. Bd. 2.
. . . a. Weil an teils Orten die Leibeigenschaft ist und die vomAdel
solche nicht aufheben, sondern die große Gewalt über ihre Untertanen behalten
wollen: so nehmen dieselben solche durch chwere ägyptische Dienste und mit großen
und weiten Korn= auch dergleichen Fuhren, harten Strafen und anderen Ab-
gaben dergestalt mit, daß sie blutarm bleiben und von ihnen die Kontribution und
Abgaben) nicht zu erpressen sind, oder sie müssen davongehen. Geschiebt dieses,
so werden sie wieder geholt, und das Übel mit ihnen ärger gemacht. Die Leute
werden gestraft, hart behandelt; bei Mißwachs oder anderen Unglücksfällen werden
1) Staatssteuern.