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geleitete ich den Kaiser, dem eine Ehreneskorte von Eurer Majestät Leib-Kürassier-
regiment voranritt, nach dem Schlosse Bellevue, wo inzwischen das weitere Ge-
folge und die Equipagen des Kaisers, deren Ankunft aus der Stadt bisher für
unsicher gehalten zu werden schien, von Sedan eingetroffen waren, ebenso der
General Wimpffen, mit welchem in Erwartung der Rückkehr des Generals
von Moltke die Besprechung der gestern abgebrochenen Kapitulationsverhand-
lungen durch den General von Podbielski im Beisein des Ocberstleutnants
von Verdy und des Stabschefs des Generals von Wimpffen, welche beiden
Offiziere das Protokoll führten, wieder aufgenommen wurde. Ich habe nur an
der Einleitung derselben durch die Darlegung der politischen und rechtlichen
Situation nach Maßgabe der mir vom Kaiser selbst gewordenen Aufschlüsse teil-
genommen, indem ich unmittelbar darauf durch den Rittmeister Grafen von Nostitz
im Auftrage des Generals von Moltke die Meldung erhielt, daß Eure Majestät den
Kaiser erst nach Abschluß der Kapitulation sehen wollten — eine Meldung, nach
welcher gegnerischerseits die Hoffnung, andere Bedingungen als die abgeschlossenen
zu erhalten, aufgegeben wurde. Ich ritt darauf in der Absicht, Eurer Majestät die
Lage der Dinge zu melden, allerhöchstdemselben nach Chéhery entgegen, traf unter-
wegs den General von Moltke mit dem von Eurer Majestät genehmigten Texte
der Kapitulation, welcher, nachdem wir mit ihm in Frénois eingetroffen, nun-
mehr ohne Widerspruch angenommen und unterzeichnet wurde. Das Verhalten
des Generals von Wimpffen war, ebenso wie das der übrigen französischen
Generale in der Nacht vorher, ein sehr würdiges; nur konnte dieser tapfere
Offizier sich nicht enthalten, mir gegenüber seinem tiefen Schmerze darüber Aus-
druck zu geben, daß gerade er berufen sein müsse, 48 Stunden nach seiner An-
kunft aus Afrika und einen halben Tag nach seiner Übernahme des Kommandos
seinen Namen unter eine für die französischen Waffen so verhängnisvolle Kapitulation
zu setzen; indessen der Mangel an Lebensmitteln und Munition und die absolute
Unmöglichkeit jeder weiteren Verteidigung lege ihm als General die Pflicht auf,
seine persönlichen Gefühle schweigen zu lassen, da weiteres Blutvergießen in der
Situation nichts mehr ändern könne. Die Bewilligung der Entlassung der Offi=
ziere auf ihr Ehrenwort wurde mit lebhaftem Danke entgegengenommen als ein
Ausdruck der Intentionen Eurer Majestät, den Gefühlen einer Truppe, welche sich
tapfer geschlagen hatte, nicht über die Linie hinaus zu nahe zu treten, welche
durch das Gebot unserer politisch-militärischen Interessen mit Notwendigkeit ge-
zogen war. Diesem Gefühle hat der General von Wimpffen auch nachträglich in
einem Schreiben Ausdruck gegeben, in welchem er dem General von Moltke
seinen Dank für die rücksichtsvollen Formen ausdrückt, in denen die Verhandlungen
von seiten desselben geführt worden sind. Graf Bismarck.
5. Quelle: Telegramm König Wilhelms an die Königin Augusta.
Fundort: Wilhelm Oncken, Unser Heldenkaiser. Berlin o. J. S. 152.
An die Königin Angusta in Berlin.
Vor Sedan, 2. September, nachm. 1 Uhr 22 Min.
Eine Kapitulation, wodurch die ganze Armee in Sedan kriegsgefangen, ist
soeben mit General Wimpffen geschlossen worden, der an Stelle des verwundeten
Marschalls Mac Mahon das Kommando führt. Der Kaiser hat nur sich selbst mir
ergeben, da er das Kommando nicht führt und alles der Regentschaft in Paris
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