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überließ. Seinen Aufenthaltsort werde ich bestimmen, sobald ich ihn gesprochen
habe, in einem Rendezvous, das sofort stattfindet. Welch eine Wendung durch
Gottes Führung!
ottes Führung Wilhelm.
6. Quelle: Brief König Wilhelms an die Königin Augusta (2. Teih.
Fundort: Oncken a. a. O. S. 206 und 207.
Vendresse, 3. September 1870.
Abends 10 Uhr. Ich will noch rasch den gestrigen Tag erzählen. Da ich
keine Meldungen von Moltke über die Kapitulationsverhandlungen erhalten hatte,
die in Donchery stattfinden sollten, so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlacht-
felde um 8 Uhr früh und begegnete Moltke, der entgegenkam, um meine Ein-
willigung zur vorgeschlagenen Kapitulation zu erhalten, zugleich anzeigte, daß
Napoleon früh 5 Uhr Sedan verlassen habe, nach Donchery gekommen sei und
Bismarck habe wecken lassen, der ihn vor einem kleinen, einzeln gelegenen Hause
mit seinen Herren sitzend gefunden habe und ihm gesagt, er wünsche zu mir. Auf
Bismarcks Bemerkung, daß ich in einigen Stunden gegen Sedan reiten würde,
hat er sich mit Bismarck in das kleine Haus zurückgezogen und Konversation über
ganz nichtssagende Dinge gepflogen. Da der Kaiser immer wieder auf ein Wieder-
sehen mit mir zurückkam, auf der Straße, die ich kam, aber kein ordentliches Lokal
zu finden war, ganz in der Nähe aber ein Schlößchen mit Park sich befand, so
schlug dies Bismarck zum Rendezvous vor. Um 10 Uhr kam ich auf einer Höhe
vor Sedan an. Ungefähr um 12 Uhr erschienen Moltke und Bismarck mit der
vollzogenen Kapitulationsurkunde. Nach angehörten Erzählungen des oben Vor-
getragenen, um 2 Uhr, setzte ich mich mit meiner und Fritzens Suite, vorauf die
Kavallerie-Stabswache, in Bewegung zum Rendezvous! Beim Eintreten in den
Park sahen wir die ganze Feldequipage in wohlbekannter Livree des Keisers,
woraus es klar war, daß er Sedan verlassen hatte, um nicht mehr dahin zurück-
zukehren! Ich stieg vor dem Schlößchen ab und fand den Kaiser in einer Veranda
vitrée, die in ein Zimmer führte, in das wir gleich eintraten. Ich begrüßte ihn
mit Darreichung der Hand und den Worten: „Sire, le sort des armes a décideé
entre nous, mais il m’est bien pénible de revoir Votre Majesté dans cette
Situation!“ Wir waren beide sehr bewegt. Er fragte, was ich über ihn beschlösse,
worauf ich ihm Wilhelmshöhe vorschlug, was er annahm; er fragte nach dem
Weg, ob über Belgien oder durch Frankreich, was letzteres angeordnet war, jedoch
noch geändert werden könne (was auch geschehen ist). Er bat, seine Umgebung
mitnehmen zu dürfen, die Generäle Reille, Moskowa, Prinz Murat II usw. ebenso,
daß er seinen Hausstand beibehalten dürfe, was alles ich natürlich akkordierte.
Dann lobte er meine Armee, vorzüglich die Artillerie, die nicht ihresgleichen habe
(was sich in diesem Kriege vollkommen erwiesen hat), tadelte die Indisziplin seiner
Armee. Beim Abschiede sagte ich ihm, daß ich glaubte, ihn hinreichend zu kennen,
um überzeugt zu sein, daß er den Krieg nicht gewünscht habe, aber (glaubte) zu
demselben gezwungen zu sein. Er: Vous avez parfaitement raison, mais T’opinion
publique m'y a forcé. Ich: L'opinon publique forcée par le ministere, ich hätte
bei Ernennung dieses Ministeriums sofort gefühlt, daß der mit demselben ein-
getretene Prinzipienwechsel nicht zum Heil seiner Regierung ausfallen werde,
was er achselzuckend bejahte. Die ganze Konversation schien ihm wohlzutun, und
ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, und wir beide