Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

— 100 — 
überließ. Seinen Aufenthaltsort werde ich bestimmen, sobald ich ihn gesprochen 
habe, in einem Rendezvous, das sofort stattfindet. Welch eine Wendung durch 
Gottes Führung! 
ottes Führung Wilhelm. 
6. Quelle: Brief König Wilhelms an die Königin Augusta (2. Teih. 
Fundort: Oncken a. a. O. S. 206 und 207. 
Vendresse, 3. September 1870. 
Abends 10 Uhr. Ich will noch rasch den gestrigen Tag erzählen. Da ich 
keine Meldungen von Moltke über die Kapitulationsverhandlungen erhalten hatte, 
die in Donchery stattfinden sollten, so fuhr ich verabredetermaßen nach dem Schlacht- 
felde um 8 Uhr früh und begegnete Moltke, der entgegenkam, um meine Ein- 
willigung zur vorgeschlagenen Kapitulation zu erhalten, zugleich anzeigte, daß 
Napoleon früh 5 Uhr Sedan verlassen habe, nach Donchery gekommen sei und 
Bismarck habe wecken lassen, der ihn vor einem kleinen, einzeln gelegenen Hause 
mit seinen Herren sitzend gefunden habe und ihm gesagt, er wünsche zu mir. Auf 
Bismarcks Bemerkung, daß ich in einigen Stunden gegen Sedan reiten würde, 
hat er sich mit Bismarck in das kleine Haus zurückgezogen und Konversation über 
ganz nichtssagende Dinge gepflogen. Da der Kaiser immer wieder auf ein Wieder- 
sehen mit mir zurückkam, auf der Straße, die ich kam, aber kein ordentliches Lokal 
zu finden war, ganz in der Nähe aber ein Schlößchen mit Park sich befand, so 
schlug dies Bismarck zum Rendezvous vor. Um 10 Uhr kam ich auf einer Höhe 
vor Sedan an. Ungefähr um 12 Uhr erschienen Moltke und Bismarck mit der 
vollzogenen Kapitulationsurkunde. Nach angehörten Erzählungen des oben Vor- 
getragenen, um 2 Uhr, setzte ich mich mit meiner und Fritzens Suite, vorauf die 
Kavallerie-Stabswache, in Bewegung zum Rendezvous! Beim Eintreten in den 
Park sahen wir die ganze Feldequipage in wohlbekannter Livree des Keisers, 
woraus es klar war, daß er Sedan verlassen hatte, um nicht mehr dahin zurück- 
zukehren! Ich stieg vor dem Schlößchen ab und fand den Kaiser in einer Veranda 
vitrée, die in ein Zimmer führte, in das wir gleich eintraten. Ich begrüßte ihn 
mit Darreichung der Hand und den Worten: „Sire, le sort des armes a décideé 
entre nous, mais il m’est bien pénible de revoir Votre Majesté dans cette 
Situation!“ Wir waren beide sehr bewegt. Er fragte, was ich über ihn beschlösse, 
worauf ich ihm Wilhelmshöhe vorschlug, was er annahm; er fragte nach dem 
Weg, ob über Belgien oder durch Frankreich, was letzteres angeordnet war, jedoch 
noch geändert werden könne (was auch geschehen ist). Er bat, seine Umgebung 
mitnehmen zu dürfen, die Generäle Reille, Moskowa, Prinz Murat II usw. ebenso, 
daß er seinen Hausstand beibehalten dürfe, was alles ich natürlich akkordierte. 
Dann lobte er meine Armee, vorzüglich die Artillerie, die nicht ihresgleichen habe 
(was sich in diesem Kriege vollkommen erwiesen hat), tadelte die Indisziplin seiner 
Armee. Beim Abschiede sagte ich ihm, daß ich glaubte, ihn hinreichend zu kennen, 
um überzeugt zu sein, daß er den Krieg nicht gewünscht habe, aber (glaubte) zu 
demselben gezwungen zu sein. Er: Vous avez parfaitement raison, mais T’opinion 
publique m'y a forcé. Ich: L'opinon publique forcée par le ministere, ich hätte 
bei Ernennung dieses Ministeriums sofort gefühlt, daß der mit demselben ein- 
getretene Prinzipienwechsel nicht zum Heil seiner Regierung ausfallen werde, 
was er achselzuckend bejahte. Die ganze Konversation schien ihm wohlzutun, und 
ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, und wir beide
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.