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Was sich in dieser Richtung erzielen ließ, ist im wesentlichen folgendes: ständige
Vertretung der Bundesgesandten in Verhinderungsfällen durch die bayerischen und
Beteiligung der letzteren an äußeren gemeinsamen Angelegenheiten überhaupt;
Einsetzung eines ständigen diplomatischen Ausschusses im Bundesrate durch die Ver—
treter der drei Königreiche Bayern, Sachsen und Württemberg unter bayerischem
Vorsitz, welchem sämtliche auswärtigen Angelegenheiten des Bundes zuzuweisen
sind; Wahrung des Rechts, über rein bayerische Verhältnisse Staatsverträge ab—
zuschließen, soweit sie dem Zwecke des Bundes nicht widerstreiten; die vertrags—
mäßige Zusage, daß zu Friedensverhandlungen nach einem Bundeskriege stets
auch ein bayerischer Bevollmächtigter zugezogen werden wird; endlich finanzielle
Abmachungen mit dem Bunde zugunsten des bayerischen Gesandtschaftswesens.
Die große Mehrzahl dieser Zugeständnisse sind Bayern allein mit Ausschluß
aller übrigen dem Bunde beigetretenen Staaten bewilligt worden. Sie sind also
wirkliche Privilegien, mittels welcher der Krone Bayern eine mittelbare Einfluß-
nahme auch auf europäische Verhältnisse gesichert ist, und Eure Königliche Majestät
wollen allerhöchstsich versichert halten, daß deren Einräumung nicht ohne Mühe
und ohne Kampf erlangt worden ist.
Über die militärischen Verhältnisse erstattet Freiherr von Prancchk . ge-
sonderten Berichtt . .
64.
Deutschlands Fürsten und Volk bitten König Wilhelm um Annahme
der Kaiserwürde.
3. und 18. Dezember 1870.
1. Quelle: Brief König Ludwigs lIlI. an König Wilhelm
vom 30. November 18701).
Fundort: L. Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch. S. 369 und 370.
Nach dem Beitritt Süddeutschlands zu dem Deutschen Verfassungsbündnis
werden die Ew. Majestät übertragenen Präsidialrechte über alle deutschen Staaten
sich erstrecken. Ich habe mich zu deren Vereinigung in einer Hand in der Über-
zeugung bereit erklärt, daß dadurch den Gesamtinteressen des deutschen Vater-
landes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde, zugleich aber in dem
Vertrauen, daß die dem Bundespräsidium nach der Verfassung zustehenden Rechte
durch Wiederherstellung eines Deutschen Reiches und der deutschen Kaiserwürde
als Rechte bezeichnet werden, welche Ew. Majestät im Namen des gesamten
deutschen Vaterlandes auf Grund der Einigung seiner Fürsten ausüben.
Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet,
gemeinschaftlich mit mir bei Ew. Majestät in Anregung zu bringen, daß die Aus-
übung der Präsidialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines Deutschen
Kaisers verbunden werde.
Sobald mir Ew. Majestät und die verbündeten Fürsten ihre Willensmeinung
kundgegeben haben, würde ich meine Regierung beauftragen, das Weitere zur
Erzielung der entsprechenden Vereinbarungen einzuleiten. Ludwig.
1) Der Brief ist nach einem Entwurf Bismarcks geschrieben, da man in München
„nicht die richtige Fassung zu finden vermochte und sich dieselbe von Versailles erbeten
hatte“. Vgl. S. 110. Er wurde am 3. Dezember durch den Prinzen Luitpold, den
späteren Prinzregenten, dem Könige überreicht.