Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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XIII. Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen. 
Art. 75. Für .. .. Unternehmungen gegen das Deutsche Reich, welche, wenn 
gegen einen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrat oder Landes- 
verrat zu qualifizieren wären, ist das Reichsgericht zuständig. 
Art. 76. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben 
nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten Gerichtsbehörden zu ent- 
scheiden sind, werden auf Anrufen des einen Teiles von dem Bundesrate erledigt. 
XIV. Allgemeine Bestimmungen. 
Art. 78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung. 
Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundesrate 14 Stimmen gegen sich haben. 
Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte Rechte 
der einzelnen Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit festgestellt sind, 
können nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert werdent). 
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Aus der Zeit des Kulturkampfes. 
1873. 
Quelle: Briefwechsel zwischen Papst Pius IX. und Kaiser Wilhelm. 
Fundort: William Pierson, Preußische Geschichte. 6. Aufl. Berlin 1894. Bd. 2. S. 478—480. 
1. 
Im Vatikan den 7. August 1873. 
Majestät! Sämtliche Maßregeln, welche seit einiger Zeit von Eurer Majestät 
Regierung ergriffen worden sind, zielen mehr und mehr auf die Vernichtung des 
Katholizismus ab. Wenn ich mit mir selber darüber zu Rate gehe, welche Ur- 
sachen diese sehr harten Maßregeln veranlaßt haben mögen, so bekenne ich, daß 
ich keine Gründe aufzufinden imstande bin. Andererseits wird mir mitgeteilt, daß 
Eure Majestät das Verfahren Ihrer Regierung nicht billigen und die Härte der 
Maßregeln wider die katholische Religion nicht gutheißen. Wenn es aber wahr ist, 
daß Eure Majestät es nicht billigen — und die Schreiben, welche allerhöchstdie- 
selben früher an mich gerichtet haben, dürften zur Genüge dartun, daß Sie das- 
jenige, was gegenwärtig vorgeht, nicht billigen können, — und wenn, sage ich, 
Eure Majestät es nicht billigen, daß Ihre Regierung auf den eingeschlagenen 
Bahnen fortfährt, die rigorosen Maßregeln gegen die Religion Jesu Christi immer 
weiter auszudehnen, und letztere hierdurch so schwer schädigt, werden dann Eure 
Majestät nicht die UÜberzeugung gewinnen, daß diese Maßregeln keine andere 
Wirkung haben als diejenige, den eigenen Thron Eurer Majestät zu untergraben? 
Ich rede mit Freimut; denn mein Panier ist die Wahrheit, und ich rede, um 
eine meiner Pflichten zu erfüllen, welche darin besteht, allen die Wahrheit zu 
sagen, auch denen, die nicht Katholiken sind. Denn jeder, welcher die Taufe 
empfangen hat, gehört in irgend einer Beziehung oder auf irgend eine Weise, 
welche hier näher darzulegen nicht der Ort ist, gehört, sage ich, dem Papste an. 
Ich gebe mich der Überzeugung hin, daß Eure Majestät meine Betrachtungen mit 
der gewohnten Güte aufnehmen und die in dem vorliegenden Falle erforderlichen 
Maßregeln treffen werde. — Indem ich allerhöchstdemselben den Ausdruck meiner 
Ergebenheit und Verehrung darbringe, bitte ich Gott, daß er Eure Majestät und 
mich mit den Banden der gleichen Barmherzigkeit umfassen möge. Pius. 
1) Die Verfassung umfaßt 78 Artikel in 14 Abschnitten.
	        
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