Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Dritter Teil. Neueste Geschichte seit 1815 bis zur Gegenwart. (3)

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2. 
Berlin den 3. September 1873. 
Ich bin erfreut, daß Eure Heiligkeit mir, wie in früheren Zeiten die Ehre er— 
weisen, mir zu schreiben; ich bin es umsomehr, als mir dadurch die Gelegenheit 
zuteil wird, Irrtümer zu berichtigen, welche nach Inhalt des Schreibens Eurer 
Heiligkeit vom 7. August in den Ihnen über deutsche Verhältnisse zugegangenen 
Meldungen vorgekommen sein müssen. Wenn die Berichte, welche Eurer Heiligkeit 
über deutsche Verhältnisse erstattet werden, nur Wahrheit meldeten, so wäre es 
nicht möglich, daß Eure Heiligkeit der Vermutung Raum geben könnten, daß 
meine Regierung Bahnen einschlüge, welche ich nicht billigte. Nach der Ver- 
fassung meiner Staaten kann ein solcher Fall nicht eintreten, da die Gesetze und 
Regierungsmaßregeln in Preußen meiner landesherrlichen Zustimmung bedürfen. 
— Zu meinem tiefen Schmerze hat ein Teil meiner katholischen Untertanen seit 
zwei Jahren eine politische Partei organisiert, welche den in Preußen seit Jahr- 
hunderten bestehenden konfessionellen Frieden durch staatsfeindliche Umtriebe zu 
stören sucht. Leider haben höhere katholische Geistliche diese Bewegung nicht nur 
gebilligt, sondern sich ihr bis zur offenen Auflehnung gegen die bestehenden 
Landesgesetze angeschlossen. — Der Wahrnehmung Eurer Heiligkeit wird nicht ent- 
gangen sein, daß ähnliche Erscheinungen sich gegenwärtig in der Mehrzahl der 
europäischen und in einigen überseeischen Staaten wiederholen. — Es ist nicht 
meine Aufgabe, die Ursachen zu untersuchen, durch welche Priester und Gläubige 
einer der christlichen Konfessionen bewogen werden können, den Feinden jeder 
staatlichen Ordnung in Bekämpfung der letzteren behilflich zu sein; wohl aber ist 
es meine Aufgabe, in den Staaten, deren Regierung mir von Gott anvertraut 
ist, den inneren Frieden zu schützen und das Ansehen der Gesetze zu wahren. Ich 
bin mir bewußt, daß ich über Erfüllung dieser meiner königlichen Pflicht Gott 
Rechenschaft schuldig bin, und ich werde Ordnung und Gesetz in meinen Staaten 
jeder Anfechtung gegenüber aufrecht halten, solange mir Gott die Macht dazu verleiht. 
Ich bin als christlicher Monarch dazu verpflichtet auch da, wo ich zu meinem 
Schmerz diesen königlichen Beruf gegen die Diener einer Kirche zu erfüllen habe, 
von der ich annehme, daß sie nicht minder wie die evangelische Kirche das Gebot 
des Gehorsams gegen die weltliche Obrigkeit als einen Ausfluß des uns geoffen- 
barten Willens erkennt. — Zu meinem Bedauern verleugnen viele der Eurer 
Heiligkeit unterworfenen Geistlichen in Preußen die christliche Lehre in dieser 
Richtung und setzen meine Regierung in die Notwendigkeit, gestützt auf die 
große Mehrzahl meiner treuen katholischen und evangelischen Untertanen, die Be- 
folgung der Landesgesetze durch weltliche Mittel zu erzwingen. — Ich gebe mich 
gern der Hoffnung hin, daß Eure Heiligkeit, wenn von der wahren Lage der 
Dinge unterrichtet, Ihre Autorität werden anwenden wollen, um der unter 
bedauerlicher Entstellung der Wahrheit und unter Mißbrauch des priesterlichen An- 
sehens betriebenen Agitation ein Ende zu machen. Die Religion Jesu Christi hat, 
wie ich Eurer Heiligkeit vor Gott bezeuge, mit diesen Umtrieben nichts zu tun, 
auch nicht die Wahrheit, zu deren von Eurer Heiligkeit angerufenem Panier ich 
mich rückhaltlos bekenne. — Noch eine Außerung in dem Schreiben Eurer Heilig- 
keit kann ich nicht ohne Widerspruch übergehen, wenn sie auch nicht auf irrigen 
Berichterstattungen, sondern auf Eurer Heiligkeit Glauben beruht, die Äußerung 
nämlich, daß jeder, der die Taufe empfangen hat, dem Papste gehöre. Der 
evangelische Glaube, zu dem ich mich, wie Eurer Heiligkeit bekannt sein muß,
	        
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